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Die unterschätzte Revolution?

Von Ulrike Famira-Mühlberger

Gastkommentare
Ulrike Famira-Mühlberger ist stellvertretende Leiterin des Wirtschaftsforschungsinstituts.

Neue KI-Tools werden unseren Alltag und kreative Prozesse verändern.


Die neuen Entwicklungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) in den letzten Monaten lassen keinen Stein auf dem anderen. Das Business as usual trotz dieser massiven Veränderung irritiert mich. Kaum Diskussionen darüber, wie sich unser Schulsystem dadurch verändern muss, was das für den Arbeitsmarkt und demokratische Prozesse bedeutet oder welche neuen kriminellen Energien dadurch entstehen können. Mir scheint, dass viele Menschen noch nicht verstehen, was hier losgetreten wurde. Wir stehen vor einer radikalen Veränderung unserer Welt.

Was ist denn passiert, werden Sie sich fragen? In den letzten Monaten sind Tausende neuer KI-Tools auf den Markt gekommen. Das prominenteste - ChatGPT - ist in aller Munde, aber bei weitem nicht das einzige, das unsere Aufmerksamkeit verdient. In der Branche herrscht Goldgräberstimmung. Viele dieser Tools stecken noch in den Kinderschuhen, die Qualität ist oft noch nicht ausgereift, aber die Geschwindigkeit der Entwicklung macht deutlich, dass wir am Anfang einer Zeit stehen, die alles verändern wird.

Lassen Sie sich also nicht täuschen, wenn Sie denken, dass die Qualität mancher Tools noch zu schlecht für den täglichen Einsatz ist. Im Gegensatz zu herkömmlicher KI, die uns schon seit vielen Jahren begleitet - z.B. Gesichtserkennung, Social Media, Rechtschreibprüfung, digitale Sprachassistenten, Smart Home Lösungen - ist das Neue daran, dass nun auch kreative und schöpferische Prozesse in einer Qualität umgesetzt werden können, die für die meisten Menschen nicht annähernd erreichbar ist. Sie können sich Geschäftsmodelle erstellen lassen, Bedienungsanleitungen schreiben lassen, aus Texten PowerPoint-Präsentationen erstellen lassen, Werbekampagnen entwerfen lassen, Kunst (Filme, Bilder, Bücher, Gedichte, Musik) erschaffen lassen oder Apps programmieren lassen, ohne selbst Programmierkenntnisse zu haben.

Kurzum, neue KI-Tools werden unseren Alltag und vor allem die kreativen Prozesse in Unternehmen verändern. Die Grenzen zwischen menschlicher und künstlicher Intelligenz verschwimmen - die neuen KI-Tools basieren auf einer Technologie, die dem menschlichen Gehirn mehr oder weniger nachempfunden ist und lernfähig ist. Die Betonung liegt auf "lassen". Die KI macht das für Sie. Vorausgesetzt, man weiß, wie man damit umgeht. Und damit komme ich zu den Auswirkungen. Die neuen KI-Werkzeuge werden viele Arbeitsplätze überflüssig machen, andere grundlegend verändern, die Produktivität vieler Arbeitsplätze erhöhen und neue Arbeitsplätze schaffen - und auf jeden Fall den Fachkräftemangel in manchen Sektoren lindern. Ein Beispiel: Eine aktuelle Studie zeigt die Wirkung eines generativen KI-basierten Gesprächsassistenten im Kundenservice: Die Produktivität stieg um 14 Prozent und die Stimmung der Kunden verbesserte sich deutlich. Natürlich ist es verfrüht, schon jetzt die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt zu beziffern.

Aber es ist nicht übereilt, darüber nachzudenken, wie sich zum Beispiel unser Bildungssystem durch diese KI-Revolution verändern sollte. Ich glaube nicht, dass die Reproduktion von zusammenhanglosem Wissen zukunftsfähig macht. Vielmehr wird es auf analytische, diskursive und anwendungsorientierte Fähigkeiten ankommen.

So eine Wirtschaft: Die Wirtschaftskolumne der "Wiener Zeitung". Vier Expertinnen und Experten schreiben jeden Freitag über das Abenteuer Wirtschaft.