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Wirtschaft 2.0: Sharing ermöglichen

Von Stefan Schleicher

Gastkommentare
Stefan Schleicher ist Professor am Wegener Center für Klima und globalen Wandel an der Karl-Franzens-Universität Graz.

Neue Business-Modelle beginnen die Attraktivität der Wirtschaft des Teilens zu entdecken.


Nur rund 200 Stunden von den 8.760 Stunden eines Jahres bewegt sich im Schnitt ein privater Pkw, für den deshalb eher die Bezeichnung Stehzeug als Fahrzeug zutreffender wäre. Die Nutzungsdauer einer privaten Bohrmaschine, die technisch gut 2.000 Stunden durchhält, beträgt über die Jahre nicht viel mehr als 11 Minuten. Beide Beispiele enthüllen die Dominanz, die Besitzen über Benutzen in vielen wirtschaftlichen Entscheidungen erobert hat. Beide Beispiele sind aber auch ein Einstieg in die Sharing Economy, die Wirtschaft des Teilens, die auf diese konstruktiven Kurskorrekturen in unserem Wirtschaftsstil aufmerksam macht.

Viele Gründe motivieren eine solche Neuorientierung. Für immer mehr Personen wird dieser Konsum des Habens mit mangelnder Nutzung einfach immer weniger leistbar. Dann öffnet sich mit dieser neu zu entdeckenden Kultur des Teilens eine Möglichkeit, vielen unerwünschten Abhängigkeiten in unserem Konsum zu entkommen, wie vom angesprochenen Stehzeug. Zunehmend relevanter wird die Vermeidung von ungenutztem Kapital aufgrund der darin gebundenen Ressourcen, von vielleicht schlecht entlohnter Arbeit irgendwo in Asien bis zu Rohstoffen mit einem hohen globalen Konfliktpotential, einschließlich der bei Produktion und Transport eingeflossenen fossilen Energie.

Neue Business-Modelle beginnen die Attraktivität der Wirtschaft des Teilens zu entdecken. Von Bohrmaschinen für die Montage des eines Bildes in der Wohnung bis zu Baumaschinen für deren Renovierung bieten sich schon jetzt Nutzungsmöglichkeiten auf monetärer Basis in Geschäften, aber auch auf nicht-monetärer Basis in klubähnlichen privaten Initiativen an. In der Automobilindustrie zeichnen sich Perspektiven ab, die Fahrzeuge nicht mehr zu verkaufen, sondern nur mehr deren Nutzung in dafür maßgeschneiderten Angeboten verfügbar zu machen. Vorstellbar ist eine Zukunft, wo das mit selbststeuernden Autos erfolgt, deren Dienst über Apps abonniert wird. Solche neuen wirtschaftlichen Organisationsformen des Teilens sollten sowohl die monetären als auch die materiellen Kosten der Nutzung entlasten.

Die Sharing Economy ist nicht immun gegenüber Fehlentwicklungen. Das ist der Befund über jene Vorgänge im Internet, die auf dem Teilen von Information über Personen und Produkte basieren. Das Ergebnis sind nicht nur Plattformen zum Austausch von Zeit für Babysitten, sondern auch Airbnb und die Gig Economy, mit prekärer Arbeit bei Uber und Essenszustelldiensten. Was mit Teilen von Information über Wikipedia begonnen hat, wurde zur Machtquelle der Big Five, nämlich Alphabet (Google), Amazon, Apple, Meta Platforms (ehemals Facebook) und Microsoft. Gleichsam als Gegenentwurf zu diesen Big Tech demonstrieren lokale Energiegemeinschaften, wie auf der Basis des Teilens einerseits von lokalen Energiequellen und andererseits deren abgestimmter Nutzung eine hohe Autonomie bei der Versorgung erreicht werden kann. Ein solcher innovativer Umgang mit Energie erinnert an einen wieder zu ermöglichenden Mechanismus des Teilens in Wirtschaften, nämlich die Bildung von wirtschaftlichen Klubs.

So eine Wirtschaft: Die Wirtschaftskolumne der "Wiener Zeitung". Vier Expertinnen und Experten schreiben jeden Freitag über das Abenteuer Wirtschaft.