Zum Hauptinhalt springen

Österreich, messianische Juden und der Staat Israel

Von Franz Graf-Stuhlhofer

Gastkommentare

Wien als wichtiger Ort judenchristlicher Geschichte und israelischer Vorgeschichte.


Die Gründung des Staates Israel am 14. Mai 1948 hat Bezüge zu Wien. Der Initiator des politischen Zionismus, Theodor Herzl, schrieb sein Buch "Der Judenstaat", während er in Paris Korrespondent der "Neuen Freien Presse" war. Er starb schon 1904 mit 44 Jahren und wurde in Wien auf dem Döblinger Friedhof begraben; viele Juden, auch aus Osteuropa, reisten zum Begräbnis an - seine Idee war damals bereits stark beachtet.

Auch ein anderer, aber negativer Handlungsstrang verläuft über Wien. Hier lebte Adolf Hitler mehrere Jahre lang und versuchte zweimal erfolglos, als Student an der Kunstakademie aufgenommen zu werden (1907 und 1908). Hätte es geklappt, wäre er womöglich nie Politiker geworden. Die von Hitler betriebene Shoa beschleunigte die Gründung eines eigenen Judenstaates.

Juden waren an der Wiener Blüte in Kultur und Wissenschaft in den Jahrzehnten um 1900 wesentlich beteiligt; damals machten sie etwa ein Zehntel der Wiener Bevölkerung aus. Von daher waren Berührungspunkte zwischen Juden und christlichen Kirchen naheliegend. Arnold Schönberg etwa ließ sich 1898 als 24-Jähriger evangelisch taufen (kehrte aber später wieder zur jüdischen Religion zurück). Hans Herzl, der Sohn von Theodor, kam durch judenchristliche Arbeitskollegen in der Union Bank in Kontakt mit der Wiener Baptistengemeinde und ließ sich dort 1924 taufen (einige Monate bevor diese ihr eigenes Haus in der Mollardgasse eröffnen konnte). Wie evangelische Pfarrer nach dem Ende des Krieges berichteten, gab es in dieser Baptistengemeinde auch während der NS-Zeit Offenheit für Judenchristen (auch messianische Juden genannt), die in evangelischen Gemeinden Ablehnung erfuhren. Zu den regelmäßigen Besuchern zählte auch der Judenchrist Hanoch Friedrich Gerstl, der einen eigenen Kreis "Jüdische Freunde" aufbaute, der sich bis zum "Anschluss" in der Halbgasse traf - dieses Lokal wurde später von der Pfingstgemeinde übernommen. In Wien wirkte auch Abram Poljak, der hier 1937 sein Buch "Das Kreuz im Davidstern" veröffentlichte und in Wien und Palästina judenchristliche Gemeinschaften gründen wollte.

Die Schwedische Israel-Mission begann ihre Tätigkeit in Wien 1920, und zwar mit einem doppelten Anliegen: Sie wollte Juden diakonisch unterstützen und mit dem Messias Jesus bekannt machen. 1933 floh der Judenchrist Frederik J. Forrell aus dem Deutschen Reich nach Wien und übernahm hier die Leitung der Israel-Mission, musste aber nach dem "Anschluss" wieder fliehen (nach Frankreich). Die Israel-Mission leistete nun Ausreisehilfe insbesondere für evangelische Juden. Die Mitarbeiter aus Schweden nahmen an Sitzungen der Evangelischen Allianz teil, in deren Andachten oft alttestamentliche Texte besprochen wurden, entgegen der damaligen nationalsozialistischen Tendenz des Zurückdrängens des Jüdischen und somit auch des Alten Testaments.

Messianische Juden sehen in Jesus von Nazareth den Retter von Juden und Heiden. Um die irdische Rettung von Juden hatte sich Theodor Herzl bemüht. Sein Sarg wurde 1949, also bald nach der Gründung des Staates Israel, aus Wien nach Westjerusalem gebracht und auf den nach ihm benannten Herzlberg überführt.