Zum Hauptinhalt springen

Steuern auf das Versteuerte?

Von Holger Blisse

Gastkommentare
Holger Blisse ist Wirtschafts- und Sozialanalytiker und unter anderem auf kreditwirtschaftliche, genossenschaftliche und sozialpolitische Themen spezialisiert.
© privat

Der jüngst wieder geäußerte Wunsch nach einer Vermögensteuer zeigt Handlungsbedarf auf.


Einkommen aus unselbständiger oder selbständiger Beschäftigung unterliegen der Einkommensteuer. Diese wird entweder direkt, an der Quelle, eingehoben und vom Dienstgeber abgeführt oder nach Erklärung durch den Einkommensteuerpflichtigen berechnet. Eine Korrekturmöglichkeit besteht mit der Arbeitnehmerveranlagung. Der zuletzt häufiger gefallene Hinweis, auch von Betroffenen selbst, doch ihr großes Vermögen zu besteuern und damit eine Vermögensteuer einzuführen, verdeckt etwas. Denn auch das Vermögen erzielt ein Einkommen aus seiner Veranlagung, etwa bei Aktien und Anleihen in Form von Dividenden und Zinserträgen. Bei deren Auszahlung fällt - an der Quelle, abgeführt von der Bank, die die Wertpapiere verwahrt und die Gutschrift vornimmt - Kapitalertragsteuer an, ebenso beim Verkauf von Wertpapieren mit Gewinn. Ob das Vermögen nun aus Arbeits- oder Kapitaleinkommen entstanden ist - es ist in jedem Falle aus versteuertem Geld gebildet worden.

Eine Besteuerung von Versteuertem wirkt wie eine nachträgliche Enteignung des für Eigentum gehaltenen Vermögens. Es steht Vermögenden frei, einen Teil zu spenden, dem Staat zu schenken oder selbst in anderer Weise zu Gunsten Dritter wirken zu lassen. Auch ein Freibetrag, der zum Beispiel den Wert eines Einfamilienhauses repräsentiert, ändert an den Bedenken gegen eine Besteuerung von Vermögen nichts.

Der Wunsch nach einer Vermögensteuer zeigt aber dennoch Handlungsbedarf auf: einerseits, weil der Staatshaushalt zusätzliche Einnahmen benötigt, andererseits, weil damit die Frage nach der Legitimität der Höhe des erworbenen Vermögens gestellt wird. Hier sollte der Steuergesetzgeber ansetzen. Damit verbindet sich die Diskussion um Vermögensunterschiede mit der Forderung nach Mindestlöhnen und Preisdeckeln. Denn die Quelle des privaten wie des gesellschaftlichen Reichtums ist die Arbeitsteilung. Das Gesundheits- und das Bildungssystem zum Beispiel funktionieren nur, wenn das medizinische und das pädagogische Personal von administrativen Tätigkeiten entlastet werden. Innerhalb der medizinisch wie pädagogisch, aber auch der administrativ Beschäftigten teilt man sich wiederum die Arbeit zum Beispiel zwischen ärztlichem und pflegendem Bereich mit der jeweils vorgesehenen Hierarchie und Differenzierung der Einkommen. Jedes Einkommen wird individuell besteuert und leistet damit einen Beitrag zur Finanzierung der gemeinschaftlichen Aufgaben im Staat.

Was nicht erfasst wird, aber einen zusätzlichen Beitrag zur Staatsfinanzierung leisten und auch die Diskussion um Mindestlohn sowie Einkommens- und Verteilungsgerechtigkeit mildern könnte, sind die Einkommensunterschiede. Nicht, dass sie ungerechtfertigt wären, es gibt sie. Hier sollte der Steuergesetzgeber ansetzen - und zwar an der Quelle, nicht an der Mündung des Einkommensflusses, dem gewachsenen Vermögen. Denn die Quelle des gesellschaftlichen Reichtums bleibt die Arbeitsteilung. Sie sollte steuerlich gewürdigt werden. Dann endlich hätten wir auch den Preis für die Arbeitsteilung entrichtet, den derzeit in vieler Hinsicht nur jede/r Einzelne zahlt.