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30 Jahre Pflegegeld

Von Ulrike Famira-Mühlberger

Gastkommentare
Ulrike Famira-Mühlberger ist stellvertretende Leiterin des Wirtschaftsforschungsinstituts.

Fehlende Daten erschweren eine evidenzbasierte Pflegepolitik.


Am Mittwoch wurde eine weitere Stufe der Pflegereform vorgestellt. Damit werden einige wichtige Vorhaben umgesetzt: zum Beispiel die Erleichterung und Beschleunigung der Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen, die Erweiterung der Kompetenzen der Pflegeberufe oder die Erleichterung der Durchlässigkeit zur Höherqualifizierung. Das sind wichtige Schritte.

Darüber hinaus enthält der vorliegende Ministerratsvortrag eine Erhöhung der Förderung der 24-Stunden-Betreuung auf 800 Euro monatlich. Wir wissen, dass die 24-Stunden-Betreuung ein problematisches System ist (Stichworte: Scheinselbständigkeit, Agenturabhängigkeit, Qualitätsmängel).

Es wäre zum Beispiel wünschenswert gewesen, die Zertifizierung von Agenturen voranzutreiben und einen finanziellen Anreiz zu schaffen, mit zertifizierten Agenturen zu arbeiten. Ebenso wäre es wünschenswert, öffentliche Mittel in die professionelle Pflege zu lenken und nicht in Laienbetreuungssysteme, die sich von der Definition und dem Tätigkeitsprofil her stark von der professionellen Pflege unterscheiden.

Das österreichische Pflegesystem feiert in diesem Jahr ein Jubiläum: Das Pflegegeld wurde vor nunmehr 30 Jahren eingeführt und hat sich zu einem wichtigen Instrument in der Unterstützung pflegebedürftiger Menschen entwickelt. Ausgehend von einer Petition des Österreichischen Zivilinvalidenverbandes im Jahr 1987 wurde 1993 ein bedarfsorientiertes Pflegegeld in sieben Stufen (ohne Bedürftigkeitsprüfung) eingeführt. Damit wird eine Unterstützung ermöglicht, die sich grundsätzlich am tatsächlichen Pflegebedarf orientiert und den Grad der Pflegebedürftigkeit berücksichtigt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass alle mit der Pflegebedürftigkeit verbundenen Kosten abgegolten werden, sondern nur, dass diese in unterschiedlichem Ausmaß unterstützt werden.

Heute beziehen mehr als 5 Prozent der österreichischen Bevölkerung Pflegegeld, bei den über 80-Jährigen sind es 53 Prozent. Im Jahr 2021 wurden rund 2,7 Milliarden Euro für das Pflegegeld aufgewendet.

Ein Argument für die Einführung des Pflegegeldes war die Flexibilität einer Geldleistung (im Gegensatz Sachleistungen wie Pflegedienstleistungen). Die grundlegende Argumentation dahinter: Die finanzielle Unterstützung kann von den Pflegebedürftigen nach ihrem individuellen Bedarf eingesetzt werden. Ob zur Mitfinanzierung professioneller Pflege, zur Anschaffung von Hilfsmitteln oder zur Unterstützung pflegender Angehöriger - das Pflegegeld soll den Betroffenen Wahlfreiheit ermöglichen. Wir wissen, dass rund 40 Prozent der Pflegegeldbeziehenden keine professionelle Pflege in Anspruch nehmen und wir de facto kaum Informationen darüber haben, wie das Geld verwendet wird. Warum so viele Menschen keine professionelle Pflege in Anspruch nehmen, kann verschiedene Gründe haben.

Leider wissen wir sehr wenig über die Verwendung und die Auswirkungen des Pflegegeldes, da es keine wissenschaftlich fundierte Evaluierung gibt. Auch hier hat die Wissenschaft ein Datenzugangsproblem: Die Daten der Pflegeinformationsstatistik sind für die Wissenschaft auch anonymisiert nicht zugänglich, was eine evidenzbasierte Pflegepolitik erschwert.

So eine Wirtschaft: Die Wirtschaftskolumne der "Wiener Zeitung". Vier Expertinnen und Experten schreiben jeden Freitag über das Abenteuer Wirtschaft.