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Frieden mit friedlichen Mitteln

Von Ilse Kleinschuster

Gastkommentare
Ilse Kleinschuster ist seit ihrer Pensionierung in verschiedenen NGOs tätig (Initiative Weltethos, Initiative Zivilgesellschaft und andere). Sie ist Gründungsmitglied und Berichterstatterin beim Nachhaltigkeitsinformationsmedium "Cooppa" (www.cooppa.at).
© privat

Für Friedens- und Klimaaktivisten, für Vertreter der UN-Menschenrechte und für Vertreter der UN-Ziele für Nachhaltige Entwicklung klingt heute vieles aus dem Mund von Politikern, die sich für militärische Aufrüstung einsetzen, absurd.


Europa müsse die Ukraine unterstützen und sich auf einen jahrelangen Konflikt mit einem imperialistischen, revanchistischen Russland einstellen, wird gefordert. "Es steht die Zukunft Europas auf dem Spiel", und "Russland sieht sich selbst wieder als Imperium", erklärte jüngst der Historiker Sergje Medwedew, der im Mai Gast beim österreichischen Institut für die Wissenschaft vom Menschen war, im "Wiener Zeitung"-Interview.

Der Ukraine-Krieg darf nicht in einen Dritten Weltkrieg eskalieren. Versuchen wir doch, uns von dem allgemeinen Kriegsgeheul nicht länger beeinflussen zu lassen. Wenn wir auf Distanz gehen zu all den schrecklichen Medienberichten, werden wir erkennen, dass es neben den Auswirkungen von "selbsterfüllenden Prophezeiungen", diesem sozialen Mechanismus zur Erklärung der Auswirkungen bestimmter Einstellungen und Handlungsweisen, noch andere Mechanismen gibt, die es uns sehr wohl ermöglichen, diesem Theorem entgegenzuwirken. Wir sollten also alles unternehmen, was zu seiner Zerstörung führen kann.

Für Friedens- und Klimaaktivisten, für Vertreter der UN-Menschenrechte und für Vertreter der UN-Ziele für Nachhaltige Entwicklung klingt heute vieles aus dem Mund von Politikern, die sich für militärische Aufrüstung einsetzen, absurd. Wenn zum Beispiel der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg von einer "Zeitenwende" spricht - absurd! Leben wir nicht ständig mit kriegerischen Konflikten in aller Welt und haben wir nicht gelernt, diese - so gut es ging - zu mildern oder auszublenden?

Mag sein, dass dieser Ukraine-Krieg anders ist und zu einem Dritten Weltkrieg zu eskalieren droht, einem Atomkrieg gar? Umso mehr sollten wir die Gelegenheit ergreifen, uns zu fragen: Genügt es nicht, dass schon jetzt so viele Menschen infolge dieser kriegerischen Konflikte sterben oder schreckliches Elend erfahren mussten, dass so vieles - nicht nur Materielles - zerstört wurde und wird, nicht zuletzt unsere Lebens- und Umwelt und die ganze internationale Ordnung? Sollen wirklich all die Errungenschaften, für die Menschen in der Vergangenheit im Namen der Gerechtigkeit und der Freiheit gekämpft haben, jetzt wieder verloren gehen?

Kriegslogik durch Friedenslogik ersetzen

Ja klar, wir wollen - gemeinsam mit den Ukrainern, den Russen und anderen Menschen, die guten Willens sind -, dass unsere Werteordnung der Aufklärung erhalten bleibt: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit (Solidarität). Aber darüber hinaus brauchen wir eine neue Aufklärung, und die können wir nur schaffen, wenn wir gemeinsam "die Überlastung unseres Planeten erkennen" und unseren Möglichkeiten entsprechend einem "Genesungsprogramm für unsere krisengeschüttelte Welt" erstellen, wie es der neue Bericht "Earth for All" an den Club of Rome, 50 Jahre nach "Die Grenzen des Wachstums", im Vorjahr formuliert hat.

Daher müssen wir zunächst nicht nur den Ukrainern in ihrem Kampf um Freiheit helfen, sondern auch mit aller Kraft versuchen, jenen Notstand, den Kriege immer bereiten, zu beseitigen, um uns dem planetaren Notstand stärker zuwenden zu können. Es ist höchste Zeit, dass wir Diplomatie einsetzen, dass wir Kriegslogik durch Friedenslogik ersetzen. Frieden zu schaffen ist nicht nur die Aufgabe von Regierungen, sondern diese verantwortungsvolle Herausforderung liegt auch im Verantwortungsbereich einer Zivilgesellschaft.

Was es dazu jetzt dringend braucht, ist eine globale Bewegung, die von allen Parteien verlangt, dass sie aufhören zu kämpfen und anfangen, miteinander zu reden. Der internationale Aufruf durch den weihnachtlichen Waffenstillstandsappell des Internationalen Friedensbüros, die Appelle der UN-Generalversammlung und von vielen Regierungen, ja sogar die Äußerungen einiger politisch führender Persönlichkeiten in Russland und der Ukraine zeigen, dass sich jetzt vielleicht ein "Fenster der Gelegenheit" öffnet.

Österreich ist ein neutrales Land. Wien ist eine "UNO-Stadt" und Sitz des Sekretariats der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa), die die Lage im Donbass seit der Unterzeichnung des Minsk-II-Abkommens beobachtet. Daher fühlt sich Österreich prädestiniert, diesen Schritt zu gehen. Wir glauben, dass mit der Veranstaltung des Wiener Gipfeltreffens für Frieden in der Ukraine ein starkes Zeichen der Hoffnung und ein Katalysator zu mehr und stärkeren Friedensaktionen auf der ganzen Welt gesetzt werden kann. Es liegt aber in der Verantwortung der Friedens- und Umweltbewegungen in aller Welt und aller friedliebenden Völker, diese Anstrengungen zu verstärken. Die Zukunft der Menschheit steht auf dem Spiel, wir sollten den Moment nutzen, bevor es zu spät ist.

Internationaler Friedensgipfel für die Ukraine

9. bis 11. Juni ÖGB-Catamaran, Johann-Böhm-Platz 1, 1020 Wien

Info & Anmeldung: www.peacevienna.org