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Wirklich alles anders?

Von Thomas Schmidinger

Gastkommentare
Thomas Schmidinger ist Politikwissenschafter und Lektor an der Universität Wien und im Masterlehrgang für interkulturelle Soziale Arbeit der Fachhochschule Vorarlberg.

Am 11. Februar 2011 wurde Ägyptens Machthaber Hosni Mubarak gestürzt. Der Arabische Frühling zwischen Demokratisierung, Militär und Bürgerkrieg.


Als vor einem Jahr in Ägypten der Oberste Rat der Streitkräfte unter Feldmarschall Mohammed Hussein Tantawi den langjährigen Machthaber Hosni Mubarak absetzte, war trotz des relativ raschen Erfolgs der Protestbewegung klar, dass damit zwar der greise Pharao abdanken musste, dies aber allenfalls der Beginn einer Systemänderung sein konnte.

Ein Jahr später ist das Militär weiter an der Macht, tausende Zivilisten sitzen immer noch Strafen ab, die von extralegalen Militärgerichten im Schnellverfahren verhängt wurden. Die Parlamentswahlen wurden zwar nicht ganz so offensichtlich wie unter Mubarak gefälscht, allerdings sind das schlechte Abschneiden liberaler, demokratischer und linker Parteien und der Wahlsieg der von der Muslimbruderschaft gegründeten Freiheits- und Gerechtigkeitspartei und der salafitischen Nour-(Licht)-Partei nicht nur für säkulare Kräfte problematisch, sondern könnten auch vom Militär dazu missbraucht werden, sich möglichst viel politische Macht zu behalten. Dabei demonstrierten in den vergangenen Wochen wieder hunderttausende Ägypter gegen den Militärrat und die erneute Repression. Auch die Wahl der Islamisten dürfte eher dem Protest gegen die Militärs als einer Begeisterung für die Islamisierung des Staates geschuldet sein. Die bestplatzierte Nachfolgepartei der einstigen Staatspartei NDP erhielt mit 1,4 Prozent gerade einmal 6 Mandate und landete damit noch hinter dem sozialdemokratischen Ägyptischen Block (7 Prozent) und der Allianz "Die Revolution geht weiter", in der sich die linksradikalen und linksliberalen jungen Revolutionäre sammelten.

Trotzdem lässt sich ein Jahr nach Beginn des Arabischen Frühlings nur eine gemischte Zwischenbilanz ziehen. Während sich Tunesien auf einem Weg der Demokratisierung befindet, herrscht in Ägypten immer noch eine Militärdiktatur mit einem bisher machtlosen und von verschiedenen Strömungen des politischen Islam dominierten Parlament. In Bahrain werden die immer wieder aufflammenden Proteste mit mehr oder weniger aktiver Unterstützung Saudi-Arabiens und der USA regelmäßig niedergeschlagen. Jemen und Libyen sind trotz des Sturzes ihrer Präsidenten extrem fragile Staatsgebilde, deren Bürgerkriege noch keineswegs ausgestanden sind; beide Staaten sind von schweren regionalen und tribalen Konflikten gezeichnet. In Syrien rächt sich die Mandatsüberschreitung der Nato in Libyen: Russland blockiert ein internationales Eingreifen. Die Gefahr eines langen konfessionalisierten Bürgerkrieges ist in Syrien aufgrund der Position nusayrischer und christlicher Minderheiten innerhalb des Regimes noch wesentlich deutlicher als in Libyen.

Die Entwicklung der nächsten Jahre wird nicht zuletzt von der globalen politischen Ökonomie abhängen. Die Möglichkeiten einer wirtschaftlichen Entwicklung und sozialen Umverteilung zugunsten verarmter früherer Mittel- und Unterschichten in der Region stellt eine Grundvoraussetzung für stabile demokratische Verhältnisse dar. Europa könnte hier als Partner, aber nicht als postkolonialer Erdölverbraucher eine wichtige Rolle spielen.