Zum Hauptinhalt springen

Was hat Rumänien, was Ungarn nicht hat?

Von Ulrich Schacht

Gastkommentare
Ulrich Schacht war lange Leitender Redakteur und Chefreporter der "Welt am Sonntag". Heute lebt er als freier Autor und Journalist in Schweden (Buchtipp: "Über Schnee und Geschichte. Notate 1983 - 2011").

Während Viktor Orbáns demokratisch legitimierte Regierung von der EU laut angeprangert wurde, sind die kritischen Töne bei Victor Ponta sehr gedämpft.


Das Auffälligste an den dramatischen politischen Vorgängen in Rumänien ist nicht jener Charakterzug, den die "Frankfurter Allgemeine" umstandslos als "kalten Staatsstreich" qualifiziert. Es ist vielmehr das äußerst gedämpfte Reagieren der EU und ihrer Organe auf die scheinlegalen Winkelzüge des rumänischen Premiers Victor Ponta, der sich Sozialdemokrat nennt, und seines Kompagnons Crin Antonescu, Präsident des Senats, der sich mit dem parteipolitischen Etikett eines Nationalliberalen tarnt, wenn es darum geht, aus dem tatsächlich immer noch im Aufbau befindlichen Rechtsstaat Rumänien wieder eine - mehr oder weniger verschleierte - Diktatur der alten Kader aus Ceaucescu-Zeiten zu machen.

Wie hartnäckig diese alte Riege um Ex-Staatspräsident Ion Iliescu und den Medien-Oligarchen und Ex-Staatssicherheitsmann Dan Voiculescu an diesem Ziel festhält, ist an ihren Reaktionen auf die soeben gescheiterte Volksabstimmung über den legalen Präsidenten Traian Basescu zu erkennen, der von einer gekauften Parlamentsmehrheit seines Amtes enthoben wurde, weil er dem Rechtsstaat in Rumänien ernsthaft Geltung zu verschaffen begann: Ponta sprach frech von einem "ausgezeichneten Ergebnis", mit dem der Parlamentsakt bestätigt werde, und der blutbesudelte Illiescu rief gar das Verfassungsgericht an, die gescheiterte Volksabstimmung schlicht für gültig zu erklären. Die EU-Kommission wiederum bat freundlichst alle rumänischen Parteien und Behörden, zukünftig doch, bitte schön, die Rechtsstaatlichkeit zu achten.

Der wache Zeitgenosse kann sich nur wundern. Denn vor nicht allzu langer Zeit, als es darum ging, der in einem kristallklaren demokratischen Verfahren legitimierte Regierung Ungarns unter Victor Orbán und der von ihr mit absoluter Parlamentsmehrheit beschlossenen neuen ungarischen Verfassung klassischer Prägung (die der deutsche Staatsrechtler Rupert Scholz als "vorbildlich" bezeichnete) den fortschrittspolitischen Garaus zu machen, gerierten sich EU-Parlaments- und Kommissionsfunktionäre reihenweise als verbale Scharfmacher. Sie witterten eine Rückkehr des Faschismus und ließen sogar US-Außenministerin Hillary Clinton in Sachen Kirchenpolitik in Ungarn intervenieren - als wären die USA, in denen eine geldscheffelnde Psychosekte wie Scientology den Kirchenstatus hat, auch nur ansatzweise legitimiert, anderen Staaten in diesem Fach Nachhilfe zu geben. Die bis zur Hetze gesteigerte Kritik gegen die demokratisch wie rechtsstaatlich vollkommen qualifizierte Republik Ungarn und die gedämpfte Nachsichtigkeit der EU-Ideologen gegenüber den poststalinistischen Machinationen in Rumänien sind aber nur die zwei logischen Seiten einer Medaille namens "Universalismusprojekt Europa". Auf den Universalismus als Projekt konnten sich internationalistische Sozialisten und Liberalkapitalisten schon immer einigen. Politisch und kulturell souveräne, gar christlich orientierte Nationen stören da nur. Das internationalistische Funktionärs-Brüssel hasst deshalb die Orbáns, aber es liebt die Pontas. Pontas Putsch ist darum noch lange nicht zu Ende.