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Gehalt ist nichts Privates

Von Martina Madner

Gastkommentare
Martina Madner ist freie Journalistin und Autorin in Wien.
© © faksimile digital

Mit Privatsphäre in Gehaltsdingen anstelle von Transparenz unterstützt der Staat nur Unternehmen, die bewusst vom Gender-Pay-Gap profitieren wollen,


Mehr Transparenz wird von Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner gutgeheißen - in der Debatte um die Elektronische Gesundheitsakte meint er, dass sie "mehr Qualität und Transparenz ins Gesundheitssystem" bringe. Auch bei den Spritpreisen setzte er sich vehement für die Offenheit der Preisgestaltung von Tankstellen ein: "Wettbewerb erfordert Preistransparenz."

Wenn es aber um das Einkommen geht, konkret um die Diskussion über die Einkommenstransparenz in kleineren Unternehmen ab 25 Mitarbeitern, ist Schluss mit der Forderung nach Transparenz: Dann geht es plötzlich um die Privatsphäre der Beschäftigten, die gefährdet sei, obwohl solche Berichte nur anonymisiert über die Gehälter in den verschiedenen Verwendungsgruppen Auskunft geben - und damit die Angestellte zum Beispiel nichts über das konkrete Gehalt des Angestellten neben ihr erfährt, sondern nur über den Schnitt aller, die Vergleichbares erledigen wie sie selbst.

Dabei könnte mit dieser Transparenz insbesondere die weibliche Belegschaft eine Orientierung erhalten, wie viel Gehalt im Unternehmen bezahlt wird. Jene, die weniger verdienen als ihre Kollegen, hätten damit ein zusätzliches Argument bei Lohnverhandlungen oder wenn sie im Ernstfall gegen bewusste Diskriminierung ankämpfen wollen. Schließlich dürften solche Berichte durchaus Lohnunterschiede zu Tage fördern, zeigt doch der Frauenbericht, dass Frauen - selbst um erklärbare Unterschiede wie Alter, Ausbildung oder Beschäftigungsdauer, Branchen oder Berufe bereinigt - rund 18 Prozent weniger Stundenlohn bezahlt wird als Männern.

Wenn also hier die Privatsphäre geschützt werden soll, drängt sich der Verdacht auf, dass es weniger um jene der Belegschaft geht als um die der Vorgesetzten, die in einen Erklärungsnotstand geraten könnten. Schließlich sind damit auch jene Unternehmen geschützt, die mit niedrigeren Frauenlöhnen ganz bewusst auf Kosten der weiblichen Belegschaft ihre Wirtschaftlichkeit stützen.

Außerdem schützt der Staat die Privatsphäre der Beschäftigten ohnehin nur bedingt: Sobald sie so wenig verdienen, dass sie um Sozialleistungen ansuchen müssen, ist es vorbei mit der Geheimniskrämerei. Dann müssen sie den Behörden ihre Einkünfte auf den Cent genau offenlegen. Warum das so grundlegend anders bewertet wird als eine anonymisierte Hilfe zur Selbsthilfe, die dem Staat sogar mit höheren Frauenlöhnen weniger Ausgaben für Sozialleistungen, dafür mehr Steuereinnahmen bringen könnte, ist nicht nachvollziehbar.

Außerdem: Unternehmen mit mehr als 500 Arbeitnehmern sind bereits zu Einkommensberichten verpflichtet, ab 2013 kommen jene mit mehr als 250 dazu. Kein Grund also, hier Mitarbeiter in noch kleineren Unternehmen mit dem in Gehaltssachen nur scheinbar lohnenden Gut Privatsphäre zwangszubeglücken. Schließlich darf ein Einkommensbericht ohnehin keine Rückschlüsse auf das Gehalt Einzelner zulassen: Wenn zum Beispiel nur drei Personen, zwei Frauen und ein Mann, in einer Gruppe wären, gäbe es keine Angaben, weil sonst klar wäre, was der Mann verdient.