
In der kommenden Legislaturperiode erwartet uns abermals ein "Demokratiepaket", das halbherzig auf den Ruf nach mehr Demokratie antworten wird. Angesichts der krisenhaften Wahrnehmung unseres politischen Systems steht in Frage, ob allein kosmetische Korrekturen
hin zu besseren direkt-demokratischen Komponenten den gewünschten Effekt haben können. Die Krise der Demokratie ist vor allem eine der Repräsentation. Der Wunsch nach direkter Demokratie mutet wie die Bitte des Volkes um eine Krücke an, um doch noch irgendwie politisch agieren zu können und wahrgenommen zu werden.
Aber unser politisches System ist unpolitisch geworden. Das zentrale Versprechen der repräsentativen Demokratie ist gebrochen: Wir haben keine Optionen, Wahlgänge bedeuten keine Richtungsänderung mehr. Wir haben keine echte Wahl mehr, weil im Grunde alle Parteien dasselbe versprechen und letztlich ähnlich handeln.
Den Politikern ist angesichts der Ökonomisierung aller Lebensbereiche der Glaube an die politische Gestaltbarkeit der Gesellschaft verloren gegangen - und vielen von uns auch. Es regieren Sachzwanglogik und Alternativlosigkeit. Wir ertragen eine sukzessive Entparlamentarisierung und bekommen stattdessen eine deliberative Ersatzdemokratie vorgesetzt. In einer Demokratie gibt es aber keine Alternativlosigkeit. Keine Möglichkeiten zu haben, ist per se undemokratisch.
Wer die Frage nach dem guten Leben für alle stellt, wird da wie dort milde belächelt. Rechtsetzung beruht heute weniger auf einem demokratischen, vor- und innerparlamentarisch institutionalisierten Aushandlungsprozess, sondern viel eher auf dem "objektiven" technischen Sachverstand. Gegen diese exekutive Politik und technokratische Rechtsetzung wird nun die direkte Demokratie in Stellung und die Schweiz ins Gespräch gebracht. Doch das Schweizer Modell bietet keine Lösung, wenn man nur das direktdemokratischen Element "Volksinitiative" lobt, aber übersieht, dass auch die Eidgenossen nicht ohne starke Stellung des Bundesparlaments auskommen. Viel wichtiger ist nämlich das Instrument des fakultativen Referendums, das als Damoklesschwert den Parlamentarismus stützt: Um die systematische Obstruktionspolitik seitens referendumsfähiger Gruppen zu verhindern, werden diese in den politischen Meinungsbildungsprozess eingebunden und Oppositionsparteien in die Regierung kooptiert
oder zumindest im Rahmen des parlamentarischen Prozesses berücksichtigt.
Der Weg aus der Demokratiekrise liegt für Österreich sicher nicht allein in der direkten Demokratie, doch könnten Volksinitiative als "Gaspedal" und Referendum als "Bremse" den parlamentarischen Prozess neu strukturieren. Aber dazu braucht es zuerst ein starkes Parlament. Jegliche Reform muss also beim Parlamentarismus ansetzen. Es braucht eine hinreichende Ressourcenausstattung, stärkere Ausrichtung der Abgeordneten auf die Facharbeit und größere Unabhängigkeit der Mandatare gegenüber den (Regierungs-)Parteien.