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Sozialpolitik ist kein Monopol der Linken

Von Peter McDonald

Gastkommentare
Peter McDonald ist Direktor des Österreichischen Wirtschaftsbundes, geschäftsführender Obmann der Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft und stellvertretender Vorsitzender der Konferenz der Österreichischen Sozialversicherungsträger.

Ein bürgerliches Sozialsystem unterscheidet zwischen Wohlfahrt und Wohlstand. Es darf nicht auf staatliche Fürsorge reduziert werden.


In den vergangenen Jahrzehnten hat die ÖVP die Sozialpolitik der SPÖ und deren Gewerkschaftern überlassen. Österreich wurde zum "Vollkaskostaat", damit entstand ein kaum beherrschbarer Ausgabenblock im Staatsbudget. Gleichzeitig entstand eine Steuer- und Abgabenquote, mit der Österreich im internationalen Spitzenfeld liegt und die Wirtschaftswachstum und zusätzliche Beschäftigung bremst. Der bisherige Weg war, Anspruchshaltungen an den Staat politisch gezielt zu fördern und möglichst wenig Anreize für Eigenverantwortung, Aktivierung und Prävention zu geben.

Deshalb braucht Österreich einen Paradigmenwechsel hin zu einer modernen, bürgerlichen Sozialpolitik. Grundlegend dafür ist die Differenzierung von Wohlfahrt und Wohlstand: Wohlfahrt ist und bleibt Aufgabe der Sozialpolitik. Sie ist Ausdruck der Würde aller Menschen, indem grundlegende existenzielle Bedürfnisse erfüllt werden. Wohlstand ist hingegen eine Folge wirtschaftlicher Leistungen - und nicht von Sozialpolitik. Moderne, bürgerliche Sozialpolitik ist das Recht des Einzelnen auf Wohlfahrt und seine Chance auf Wohlstand.

Das Ziel einer bürgerlichen Sozialpolitik ist es, in erster Linie zur Vermeidung jener Umstände beizutragen, die sozialstaatliche Intervention nötig machen. 80 Prozent der Krankheitslast liegen heute auf beeinflussbaren Zivilisationskrankheiten, die nur in geringem Maße durch die Reparaturmedizin heilbar sind. Doch 98 Prozent der Ausgaben im Gesundheitswesen fließen in die Reparaturmedizin und nur 2 Prozent in die Prävention. Auch wird überproportional in die Alimentierung und Schulung bei Arbeitslosigkeit investiert, statt aktiv die Wurzel zu packen und die versäumte Weiterentwicklung des Bildungssystems nachzuholen.

Sozialpolitik darf auch nicht auf staatliche Fürsorge reduziert werden und Abhängigkeiten schaffen. Sie muss das Bewusstsein für Eigenverantwortung stärken. Hilfe zur Selbsthilfe muss das Ziel sein.

Gleichheit, getarnt als soziale Gerechtigkeit, wo jeder den gleichen materiellen Wohlstand haben soll, hat nichts mit Sozialpolitik zu tun, sondern ist die Umschreibung des Kommunismus. Anliegen bürgerlicher Sozialpolitik ist es nicht, materielle Ergebnisgleichheit durch staatliche Maßnahmen zu erzwingen, sondern vielmehr Chancengerechtigkeit für alle zu ermöglichen.

Dem Recht auf soziale Leistung des einen geht zumeist die Finanzierung durch einen anderen voraus. Bürgerliche Sozialpolitik definiert und evaluiert Lebensrisiken. Sie verbindet deren Bewältigung mithilfe des Sozialstaats mit zumutbaren Eigenleistungen. Es sollen keine Strukturen und Verhältnisse andauernder Alimentierung und daraus resultierender Abhängigkeit entstehen.

Österreichs Steuer- und Abgabenquote liegt weltweit im Spitzenfeld. Wir brauchen dringend eine niedrigere Steuer- und Abgabenlast und dafür die Bereitschaft, das Sozialsystem laufend zu hinterfragen und zu verbessern. Nur so kann das Solidarsystem und damit die soziale Sicherheit in das nächste Jahrzehnt mitgenommen werden. Österreich braucht eine neue Sozialpolitik - moderner, nachhaltiger, bürgerlicher.