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Sicherheitsgarantien gefährden den Weltfrieden

Von Werner Stanzl

Gastkommentare
Werner Stanzl ist Publizist und Dokumentarfilmer.

Bündnispartnerschaften werten Kleinstaaten zu militärischen Großmächten auf und deren Führung zu "major players" - mit allen Imponderabilien.


Sicherheits- und Militärbündnisse sind nicht friedenssichernd, sondern friedensgefährdend. Beistandsgarantien werten kleine Bündnispartner zu militärischen Großmächten auf, was wiederum die Männer an deren Spitze reizen könnte, als Schwanz mit dem Hund zu wackeln. Schon weil es sehr viele dieser kleinen Staaten gibt, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass irgendein machtrauschiger Winzling den ganzen Kontinent in den Abgrund stürzt.

Derartige Erfahrungen lehrt sowohl das Unglücksjahr 1914, mit Serbien als Kleinstaat und Russland als solidarischer Großmacht, als auch das Jahr 1939, mit Polen in der Rolle des Kleinen und Großbritannien in der Rolle der Schutzmacht. Nochnicht-Premier Winston Churchill beklagte seherisch die Garantie Londons: "Von jetzt an wird in Warschau entschieden, ob dieses Land (Großbritannien) in den Krieg zieht." Tatsächlich sehen heute renommierte Historiker in den britischen Garantien einen wesentlichen Faktor für den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges. Polens Politiker hätten damals ihr Blatt im Machtpoker überreizt und Adolf Hitler einen willkommenen Anlass zum Überfall geliefert.

Nach der gleichen Lehrmeinung müsste der Ukraine die Nato-Mitgliedschaft bleibend verweigert werden. Selbst die Daseinsberechtigung der Nato, ein Denkmuster nach der Logik des Kalten Krieges, scheint mit dessen Ende abgelaufen. Von Grund auf Neues unter uneingeschränkter Einbeziehung Moskaus wäre gefragt.

Wie brandgefährlich die Beistandspflicht des Paktes sein kann, verdeutlicht aktuell auch ein höchst brisanter Bericht über eine Verschwörung türkischer Politiker. Falls aus der Luft gegriffen, bleibt noch immer das Gruseln darüber, dass seriöse europäische Politiker ihren türkischen Kollegen ein derartiges Komplott ohne Weiteres zutrauen. Laut YouTube-Mitschnitt hätte der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu mit dem Geheimdienstchef einen Scheinangriff türkischer Sonderkommandos auf Ziele in der Türkei durchgespielt. Den Syrern in die Schuhe geschoben, könnte dies als feindlicher Überfall ausgegeben werden, um in deren Bürgerkrieg mitzumischen. Ein brandgefährliches Spiel, mit dem Ankara die restlichen 27 Nato-Staaten via Beistandsgarantie in den Krieg hineinziehen könnte.

Dass das Gruselszenario ernst zu nehmen ist, beweist die Reaktion namhafter deutscher Parlamentarier. Rainer Arnold, der Verteidigungssprecher der SPD-Fraktion, forderte vom Nato-Hauptquartier Aufklärung. Und der außenpolitische Sprecher der Grünen, Omid Nouripour, schäumte: "Es ist vollkommen absurd, dass deutsche Soldaten die Türkei beschützen, während der türkische Staat verschwörerisch plant, das eigene Territorium zu beschießen." Berlin müsse Ankara über die Nato klarmachen, dass die deutsche Regierung so etwas nicht hinnehme.

Was aber, wenn die Verschwörung der Türken ganz im Sinne jener Falken ist, die mit Vorliebe in den militärischen Zentren nisten, um den Weltuntergang zu planen? Eine so konkrete Chance, sich in den syrischen Bürgerkrieg zu werfen, käme Dr. Strangelove und Kollegen bestimmt nicht ungelegen. Zumal sie sich zu Syrien bisher nur blamierten.