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Braucht Österreich eine eigene Entwicklungshilfe?

Von Friedbert Ottacher

Gastkommentare
Friedbert Ottacher arbeitet seit 14 Jahren als Projektreferent in der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit (EZA), zuletzt als Verantwortlicher für Äthiopien bei Licht für die Welt, und lektoriert zur Praxis der EZA an der TU Wien.

Angesichts der Kürzung des EZA-Budgets ist es Zeit für eine Grundsatzfrage: Sollte man sich bei einem größeren Partner anhängen?


Die Regierung kürzt die Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit (EZA) von heuer 68 Millionen Euro auf 51 Millionen Euro für 2015. Das Minus von 17 Millionen Euro (etwas mehr als die jährliche Parteienförderung für die ÖVP auf Bundesebene) mag ein Klacks für die Budgetkonsolidierung sein, ist aber substanziell für Österreichs ausgehungerte Entwicklungspolitik. Außenminister Sebastian Kurz hatte damit dem Vernehmen nach wenig zu tun, er will weiter "für die Mittel kämpfen".

Eine erste Schramme hinterlässt die Kürzung aber bei ihm, zumal er die Chance vertan hat, mit wenig Geld viel öffentliche Sympathie zu erwerben, denn laut aktueller Eurostat-Umfrage finden vier von fünf Österreichern Entwicklungshilfe wichtig.

Abgesehen davon stellt eine Grundsatzfrage: Ist es verantwortbar, mit diesen geringen Mitteln eine eigene österreichische EZA zu unterhalten? Wäre es nicht klüger und ehrlicher, die verbliebenen 51 Millionen Euro an eine der großen europäischen Agenturen wie die deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) zu überweisen? Die GIZ orchestriert die gesamte deutsche bilaterale EZA, die 40 Mal größer als die österreichische ist. Sie setzt pro Jahr 2,1 Milliarden Euro um und unterhält die nötigen Strukturen zur professionellen Abwicklung.

Österreich würde sich so mit einem Schlag jene 9 Millionen Euro ersparen, die die bundeseigene Austrian Development Agency (ADA) als Abwicklungsagentur pro Jahr kostet. Die paar Nichtregierungsorganisationen müssten wohl einige Projekte zurückfahren und die Bildungsarbeit in Österreich reduzieren. Die Entwicklungspolitik würde rasch vom politischen Rand- zum Nichtthema. Dafür stiege der Jahresetat der GIZ blitzartig um satte 2,4 Prozent, im Gegenzug wäre der innerösterreichische Verwaltungsaufwand so gering wie noch nie: Ein einzelner Beamter im Außenministerium könnte Österreich bei der GIZ vertreten, Überweisungen beauftragen und den Jahresbericht absegnen.

Aber was wäre der gesellschaftspolitische Preis? Tausende Österreicher engagieren sich, meist ehrenamtlich, für die "Dritte Welt". Hunderttausende ermöglichen mit 140 Millionen Euro Spenden im Jahr die Arbeit der Hilfsorganisationen. Gäbe es auf staatlicher Seite kein Pendant mehr für dieses zivilgesellschaftliche Engagement, verlöre es an Relevanz, politischer Anerkennung und durch die personelle Ausdünnung wohl an Professionalität. Österreich würde international noch weniger wahrgenommen und müsste sich wegen der fehlenden Expertise wohl rasch aus den relevanten Gremien bei der UNO und anderen internationalen Institutionen verabschieden.

Die staatliche Entwicklungspolitik steht nach jahrelangen Kürzungen am Scheideweg: Entweder die Regierung stockt den Etat so weit auf, dass er eine eigene österreichische Entwicklungslandschaft rechtfertigt, oder sie folgt Liechtensteins Beispiel und lässt die Entwicklungshilfe - übrigens stolze 13 Millionen Euro - in Nachbarländern abwickeln. Der jetzige Weg ("zu viel zum Sterben, zu wenig zum Leben") ist der schlechteste: Er ist ineffizient, weil die professionell arbeitende ADA nicht ausgelastet ist. Und er konterkariert alle internationalen Trends und Vereinbarungen, die EZA auf 0,7 Prozent des BIP zu erhöhen und international Verantwortung zu übernehmen.