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Zu viel evidenzbasierte Bildungspolitik in Österreich?

Von Lorenz Lassnigg

Gastkommentare
Lorenz Lassnigg ist Leiter der Forschungsgruppe equi am Institut für höhere Studien. Seine Arbeitsgebiete sind Forschung und Lehre in den Bereichen Bildung, Beruf und Beschäftigung, Evaluationsforschung. Zudem lehrt er an verschiedenen Universitäten und Fachhochschulen.

Das Bifie war ein Schnellschuss - Forschung, Entwicklung und Umsetzung dürfen nicht an einem Institut sein.


Die Gründung des Bundesinstituts für Bildungsforschung (Bifie) war ein Schnellschuss und eine österreichische Lösung. Für die Reorganisation können Lösungen in anderen Ländern und die internationale Diskussion herangezogen werden. Das Bifie ist ein Zwischending aus eng begrenzter politiknaher Datenauswertung, Entwicklung und Umsetzung. Mit ähnlicher Materie befasste Institute in anderen Ländern sind entweder richtige Forschungsinstitute, das heißt unabhängig(er) von der Politik und dem akademischen Wettbewerb ausgesetzt (Beispiel Finnland: https://ktl.jyu.fi/en), oder aber Wissenszentren (Knowledge Centers), deren Aufgabe darin besteht, das weltweit vorhandene Wissen zu wichtigen Entwicklungsfragen systematisch aufzuarbeiten, zu bewerten und für Politik und Praxis zur Verfügung zu stellen.

Das Bifie wurde aus zwei Institutionen (dem Pisa Zentrum und dem Zentrum für Schulentwicklung) zusammengestellt, ohne wirklichen Zusammenhang zwischen Forschung und Entwicklung: Die einen forschen, die anderen entwickeln, und überdies müssen sie auch noch umsetzen. Dieser Konstruktion dürfte ein verantwortungsvoller Forscher eigentlich niemals zustimmen, geschweige denn diese Aufgabe übernehmen - gerade so etwas passiert aber bei Schnellschüssen. Die Konstruktion kann den Anforderungen nicht entsprechen:

Es wird nicht im erforderlichen Ausmaß geforscht, die Auswertung der Leistungserhebungen à la Pisa, worauf sich die Kompetenz des Pisa Zentrums beschränkte, deckt nur einen kleinen Teil des Nötigen ab, der aber dann zu aufgeblasen erscheint. Diese Erhebungen zeigen zwar den Stand, aber man kann daraus unmittelbar keine Entwicklungen ableiten. Man könnte sagen: Mr. Pisa, bleib bei deinen Leisten!

Wenn man umsetzen muss, kann auch nicht wirklich Entwicklung betrieben werden. Entwicklung bringt notwenderweise Risiken und Fehler mit sich, in der Umsetzung darf man keine Fehler machen. Im Umsetzungsdruck kommt auch die Evaluierung zu kurz.

Die enge politische Kontrolle ist sowohl der Forschung als auch der Entwicklung abträglich. Das Bifie selbst hat den Daten-Zugang und damit auch eine breitere Forschung beschränkt. Aufgrund der Kosten wurden auch die Forschungsmittel konzentriert und damit die Forschung insgesamt ärmer gemacht.

Es wäre angebracht, die Konstruktion durch internationale Experten zu prüfen.

Zwei Aspekte sind besonders zu berücksichtigen: Erstens, die gesamte Bildungsforschung bedarf der Weiterentwicklung und Vernetzung; dazu sollte dieser Stand evaluiert werden. Die Konzentration auf eine Institution ist jedenfalls schädlich. Zweitens bedarf die wirksame Anwendung von Forschung der Einbeziehung der Praxis, und damit vor allem der Lehrkräfte. Hier einen wirklichen Wissensfluss zwischen den Beteiligten zu schaffen sollte aufgrund der vielfältigen Patt- und Konfliktstellungen in Österreich eine besondere Priorität sein. Entwicklungen nach der Art der Knowledge Centers wären sehr angebracht und erfolgversprechend.