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Wenn der Postler dreimal klingelt . . .

Von Manuela-Anna Sumah-Vospernik

Gastkommentare
Manuela-Anna Sumah-Vospernik ist Rechtsanwältin und Unternehmensberaterin in Wien.

Die geplante Reform der Strafprozessordnung sieht eine "Vorstrafe per Post" vor. Das ist äußerst fragwürdig.


Heutzutage kommen nicht nur Amazon-Pakete, sondern auch Vorstrafen schon per Post. Die geplante Reform der Strafprozessordnung (StPO) sah ursprünglich unter anderem vor, dass bei Delikten mit einer Strafdrohung von bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe eine Verurteilung auch ohne mündliche Hauptverhandlung möglich ist. Nach vehementer Kritik von Richterschaft und Experten hat Justizminister Wolfgang Brandstetter nunmehr angekündigt, das Mandatsverfahren nur für Geldstrafen anwendbar zu machen.

Das Urteil wird mit einem RSa-Brief zugestellt und man ist damit vorbestraft, ohne je einen Richter gesehen zu haben. Noch dazu ist dieses "Schnellurteil" vom Verurteilten nur binnen einer unfassbar kurzen Frist von 14 Tagen ab Zustellung mit Einspruch bekämpfbar.

Bereits mit dem per 31. Dezember 1999 aus grundrechtlichen Überlegungen abgeschafften strafprozessualen Mandatsverfahren durften nur Geldstrafen von nicht mehr als 90 Tagessätzen verhängt werden. Gründe für die Abschaffung des Mandatsverfahrens waren massive grundrechtliche Bedenken. Besonders die Problematik der Zustellung der Strafverfügung durch Hinterlegung wurde als ein Hauptproblem gesehen. Der Betroffene ist vorbestraft, ohne sich dessen möglicherweise überhaupt bewusst zu sein oder von einem konkreten Anklagevorwurf Kenntnis zu haben, und muss sich aktiv mit einem fristgerechten Einspruch gegen eine Verurteilung zur Wehr setzen. Im Falle eines Einspruches ist der Betroffene aber wieder mit demselben Richter konfrontiert, der schon das Strafmandat ausgestellt hat - und damit nicht unbefangen ist.

Mit dem jüngsten "Zugeständnis" des Justizministers wird die grundrechtliche Problematik des geplanten Mandatsverfahrens daher keinesfalls gelöst.

Begründet wird die Maßnahme damit, die Richter zu entlasten. Doch zu dieser Entlastung wird es nur kommen, wenn die Erkenntnisse der Staatsanwaltschaft ohne eingehende Prüfung "durchgewunken" werden und einmal ausgestellte Strafverfügungen nicht beeinsprucht werden. Wieder einmal wird mit Effizienzüberlegungen die Stellung der Anklagebehörde dramatisch gestärkt und die Stellung des Beschuldigten im Verfahren problematischer gestaltet.

Ironischerweise ist diese "Vorstrafe per Post" Teil einer grundsätzlich sehr gelungenen und dringend notwendigen Reform der Strafprozessordnung, mit der rechtsstaatlich bedenkliche Auswüchse der "Verstaatsanwaltlichung" des Gerichtsverfahrens (Stichwort: Gerichtsgutachten im Strafverfahren) beseitigt werden sollen. Mit dem RSa-Brief-Urteil schießt Justizminister jedoch über das Ziel hinaus.

Daher ist im Sinne eines fairen Strafverfahrens zu plädieren: Wenn’s wirklich wichtig ist, dann lieber nicht mit der Post.