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Wäre es besser, Saddam Hussein regierte noch?

Von Christian Ortner

Gastkommentare
Christian Ortner.

Heute sind sich (fast) alle einig: Der Krieg gegen den Irak war ein Fehler. Doch die Konsequenzen aus diesem Urteil sind höchst unerfreulich.


Der Irak, so versprach US-Präsident George W. Bush der Welt vor etwas mehr als zehn Jahren, werde dank der Intervention der US-Streitkräfte ein "Leuchtturm der Demokratie" werden. Doch leider hat das mit dem Leuchtturm bekanntlich nicht so ganz geklappt. Stattdessen entsteht gerade ein richtiger Terror-Staat, kontrolliert von der brutal-dschihadistischen Isis, bestens geeignet, schon bald als Basis für Anschläge gegen den Westen zu dienen.

Dazu können sich die USA nun wirklich gratulieren: Als Ergebnis des Irak-Krieges sind im Wesentlichen ein paar tausend tote alliierte Soldaten, ein zerfallender Irak und das Entstehen einer neuen, noch viel gefährlicheren terroristischen Schlangengrube zu verbuchen. Noch schiefer kann ein Krieg kaum gehen.

Es liegt nahe, daraus den Schluss zu ziehen, dieser Krieg wäre besser nicht geführt worden; das ist ja auch mehr oder weniger der Stand der politischen Debatte über den Irak-Feldzug (als jemand, der diesen Krieg damals fälschlicherweise befürwortete, neige ich heute übrigens auch eher zu dieser Position).

Wer so argumentiert, unterstellt damit aber auch implizit, es wäre wohl besser gewesen, dass Saddam weiter Diktator geblieben wäre, denn ohne Intervention der westlichen Alliierten wäre sein Sturz wohl nicht möglich gewesen; dazu saß er zu fest im Sattel.

Ob das menschliche Leid in dieser geschundenen Gegend geringer gewesen wäre, lebte Saddam bis heute von den USA ungestört in seinem Palast, ist natürlich schwer zu beantworten. Zu Lebzeiten dürfte er jährlich das Leben zehntausender Iraker auf dem Gewissen gehabt haben, was für das vergangene Jahrzehnt wohl einen Blutzoll von mindestens einer Viertelmillion bedeutet hätte. Dem stehen freilich größenordnungshalber nicht weniger Iraker gegenüber, die im Krieg und dem nachfolgenden Jahrzehnt von Terror und Bürgerkrieg getötet wurden und womöglich noch werden. Die Frage, was das kleinere Übel gewesen wäre, lässt sich also nicht wirklich beantworten.

Und doch hat sie erhebliche Implikationen für die gegenwärtige Haltung des Westens gegenüber der Krisenregion im Nahen und Mittleren Osten. Seit Beginn des Arabischen Frühlings zeigt sich immer klarer, dass die wahrscheinlichste Folge des gewaltsamen Sturzes altgedienter Diktatoren ein Aufstieg meist sehr radikaler Islamisten war, die für die eigene Bevölkerung nicht weniger unangenehm sind und dazu auch noch den Westen inbrünstig hassen.

Inwiefern die Welt ein besserer Platz wird, wenn diese neue Form der Tyrannis die vorher übliche ablöst, erschließt sich nicht so recht. Aus genau dieser Überlegung heraus verhält sich der Westen ja gegenüber nicht-islamistischen, autokratischen Regimes in der Gegend wieder recht pragmatisch: Just als Ägypten dieser Tage die Todesurteile gegen 183 Moslem-Brüder bestätigte, versprach US-Außenminister John Kerry ebendieser Regierung erhebliche finanzielle Unterstützung; auch modernste Waffen werden wieder geliefert. Selbst Syriens Bashar al-Assad muss nicht mehr wirklich fürchten, verjagt zu werden.

Sehr befriedigend ist diese stillschweigende Rückkehr zur "He is a bastard, but he is our bastard"-Politik nicht. Es gibt bloß scheinbar leider keine wirklich überzeugenden Alternativen dazu.