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Innovative Betriebe nach Österreich holen

Von Erhard Fürst

Gastkommentare
Erhard Fürst war Leiter der Abteilung Industrie- und Wirtschaftspolitik in der Industriellenvereinigung.

Bei der Standortdebatte sollte man nicht nur über Abwanderungen diskutieren, sondern vor allem auch über nicht stattfindende Zuwanderungen.


Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner hat vor kurzem eine Studie des Instituts EcoAustria zum Thema "Betriebsschließungen und Betriebsverlagerungen in Europa" präsentiert und im Zuge dessen die Entwicklung einer Standortstrategie für österreichische Leitbetriebe angekündigt. Aus der Studie kann man ersehen, dass Österreich bei Betriebsschließungen und -verlagerungen im europäischen Mittelfeld liegt.

Tatsächlich lassen sich aus der Datenbasis kaum überzeugende Schlüsse auf die Standortqualität ziehen, da Betriebsverlagerungen ins Ausland je nach Einzelfall zu beurteilen sind.

Die Abwanderung von Billigproduktionen aus dem Hochlohnland Österreich, zum Beispiel im Massentextilbereich, verursacht kurzfristig Arbeitsplatzverluste, ist aber auf längere Sicht positiv zu sehen, da sie Ressourcen für höherwertige, konkurrenzfähige Produktionen freimacht. Die Verlagerung bloß einzelner Produktionsstufen ins Ausland, das heißt die Internationalisierung der Wertschöpfungskette, dient maßgeblich der Aufrechterhaltung der kostenmäßigen Wettbewerbsfähigkeit und damit ebenfalls der Sicherung heimischer Arbeitsplätze.

Ein drittes Motiv für Verlagerungen ist die Forderung der Schwellenländer nach Produktionen vor Ort als Gegenleistung für die Aufnahme österreichischer Exporte.

Last but not least kommt es zu Verlagerungen durch Exportunternehmen, weil die Herstellung ihrer Produkte (insbesondere Konsumgüter) Marktnähe verlangt beziehungsweise weil sie als Zulieferer von multinationalen Unternehmen auch deren Expansion in neue Märkte geografisch begleiten müssen.

Leider gibt es auch "böse" Standortverlagerungen. Das sind Verlagerungen grundsätzlich erfolgreicher und wachstumsstarker Produktionen ins Ausland, weil sie dort günstigere Rahmenbedingungen vorfinden: etwa qualifizierte (nicht notwendigerweise kostengünstigere) Arbeitskräfte, massiv billigere Energie (in den USA minus 50 bis 75 Prozent), weniger kostspielige Umweltauflagen und Bürokratiekosten, ein innovativeres universitäres Umfeld und vieles mehr.

Solche Abwanderungen geschehen nicht über Nacht, sondern schleichend; wenn es um den Ersatz einer abgeschriebenen Papiermaschine geht, bei der Entscheidung internationaler Konzerne, wo ein bestimmtes Auto assembliert wird oder wieviel an Ressourcen für welche Projekte der österreichischen Tochter zugeteilt werden.

Damit sind wir beim vielleicht wichtigsten Aspekt, nämlich der Frage, wie viele potenzielle Verlagerungen wachstumsstarker, innovativer Betriebe aus dem Ausland nach Österreich wegen suboptimaler Rahmenbedingungen nicht stattfinden. Diese - wenn auch kaum abschätzbare - Zahl zu reduzieren, sollte das zentrale Motiv jeder Standortinitiative sein.

Wenn Österreich für Auslandsinvestoren attraktiv ist, dann auch für hier tätige Unternehmen. Ja, Österreich hat sich im jüngsten internationalen Standortranking des Schweizer IMD-Instituts um einen Platz auf Rang 22 verbessert, nachdem es 2007 immerhin Platz 11 erreichte hatte. Allerdings: Die Schweiz, Deutschland und Dänemark belegen die Plätze 2, 6 und 9.