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Alles eitel Wonne bei Österreichs Finanzen?

Von Kurt Bayer

Gastkommentare
Kurt Bayer ist Ökonom und war Board Director in Weltbank (Washington, D.C.) und EBRD (London) sowie Gruppenleiter im Finanzministerium.

Österreich hat seit der jüngsten Regierungsumbildung wenigstens wieder einen Vollzeit-Finanzminister. | Ob dieser allerdings seinen Vorschusslorbeeren gerecht wird, muss sich erst weisen.


In der mediengetragenen Euphorie über die Umbildung der Regierung (zumindest von Teilen davon) scheinen plötzlich alle vorher beklagten Probleme im Kompetenzbereich des neuen Finanzministers Hans Jörg Schelling wie weggewischt: Harmonie der Koalitionspartner herrscht bei der Steuerreform, zumindest beim Einverständnis deren rascher Notwendigkeit, beim Commitment zur Verwaltungsreform, zur Überprüfung des Subventionsdschungels, zur Einhaltung des Budgetpfades . . .

Doch halt! Die Probleme sind ja seit den Ereignissen, die die Regierungsumbildungen ausgelöst haben, nicht kleiner, sondern eher größer geworden. Oder ist das neuerliche Liebesfest doch nur einem schon Routine gewordenen "Neuanfang" der Koalition geschuldet? Es ist doch kaum ein paar Monate her, dass die Neuauflage der Regierungskoalition mit fast genau denselben Worten und Versprechungen an die Bürger angetreten ist.

Jetzt haben wir eine weitere Verschlechterung der europäischen und der österreichischen Konjunktur, eine weitere Steigerung der Arbeitslosenrate, weitere Hiobsbotschaften bei den verstaatlichten Banken, einen erneuten Vertrauensverlust in die Seriosität des Finanzstandortes Österreich, eine gravierende Verschlechterung der geopolitischen Situation am Rande Europas sowie im Nahen Osten, ein deutliches Absinken der gefühlten Wettbewerbsfähigkeit Österreichs (durch das World Economic Forum) und, und, und.

Institutionell positiv aus Sicht des Finanzministeriums scheint nur, dass es jetzt endlich wieder einen Vollzeit-Finanzminister gibt, der nicht Bünde, Landeshauptleute (als Parteiobmann) und den Koalitionspartner (als Vizekanzler) auf Linie halten muss, sondern sich ganz seinem schwierigen Ressort widmen kann. Dass er ohne Staatssekretäre auszukommen hat, wirft eher ein schlechtes Licht auf die vorherige Praxis: Was hatten die dort - außer "Spiegelung" (dieser Terminus erinnert mich immer an unangenehme medizinische Untersuchungen) eigentlich zu tun?

Der neue Minister dürfte gute Managementfähigkeiten besitzen, er dürfte wissen, wie die Wirtschaft tickt, und weniger regionalen und bündischen Interessen ausgeliefert sein. Ob das - bei seiner mangelnden EU-Erfahrung - ausreicht, um seine Vorschusslorbeeren wirklich einzuheimsen, wird die Zukunft zeigen. Den in Österreich lebenden Personen (mit und ohne Staatsbürgerschaft) wäre es zu wünschen. Sie haben lange genug unter antiquierten ideologischen Positionierungen und Vernachlässigung ihrer Interessen (siehe Einkommensverteilung, kalte Progression, Steuerbürden durch unprofessionelle und interessengebundene Rekapitalisierung von Banken, Mangel an zukunftsweisenden wirtschaftspolitischen Konzepten) gelitten. Hoffen wir, dass die derzeitige Euphorie nicht das letzte Aufflackern vor dem nahenden Ende darstellt, sondern den Keim einer Zukunftsbewältigung in sich trägt.