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Was ist ein gelungenes Leben?

Von Isolde Charim

Gastkommentare

Unser Bild vom Glück.


In den vergangenen Tagen zirkulierten weltweit Bilder und Nachrichten von der Hochzeit George Clooneys mit Amal Alamuddin. Sie dokumentieren eine unglaubliche Akkumulation: die Verbindung von sozialem Kapital (Schönheit, Berühmtheit) und ökonomischem (Reichtum) - die ihre Erfüllung in der Liebe findet. Was für ein massentaugliches Bild vom gelungenen Leben! Gegenüber dem klassischen Szenario weist es drei Abweichungen auf: Die Frau ist Anwältin, für ihn ist es die zweite Ehe, und beide sind mit Menschenrechtsfragen befasst - also Glück mit gutem Gewissen. An diesen Verschiebungen gegenüber älteren Vorstellungen vom guten Leben lässt sich ablesen: Hier formiert sich ein neues Bild vom erfüllten Leben.

Die alte Hollywood Traumfabrik hatte dafür bekanntlich ein folgenreiches Bild gefunden: das happy end. Folgenreich, weil es jahrzehntelang durch alle Köpfe spukte und die Glücksvorstellungen der Menschen prägte. Glück ist happy end. In ihrer kulturindustriellen Version ist romantische Liebe Glück über alle Hindernisse, oft über Klassenschranken hinweg. Und sie ist in doppelter Hinsicht rein: Liebe ohne sichtbaren Sex, die den Dauerzustand im Moment des happy ends einfriert.

In den 1960er und 70er Jahren mit all ihren Pop-Sex-Polit-Revolten wurde auch die Vorstellung, was ein gutes Leben ausmacht, breitenwirksam verändert. Das happy end wurde als Illusion denunziert, als Nebelmaschine für jene Zwänge, von denen man sich befreien wollte: die Befreiung der Sexualität von der Liebe und der Liebe von der Verpflichtung. Der Moment des Glücks sollte sich des Dauerzustands entledigen und als Moment verabsolutiert werden. Das vielleicht schlimmste Ergebnis dieser Bewegung war die Mühl-Kommune: eine Wiederbelebung der Urhorde mit einem Urvater, der alles Genießen ohne Schranken für sich beanspruchte.

Die nachhaltigste Breitenwirkung dieser Umschreibung der Glücksvorstellung - jenseits solcher Extremformen - war das, was man heute serielle Monogamie nennt: eine Mischung von happy end und Enthemmung, wo die Promiskuität in Bahnen gelenkt und das happy end zum endlos wiederholbaren happy ending wird. Eine auf Dauer gestellte Pubertät.

Nun hat sich diese Glücksvorstellung aber ganz leise noch einmal verändert. Wie man an der Massenkultur im TV ersieht. Das sind jene Formen, in denen Glücksmuster gesellschaftlich zirkulieren. Die Kulturindustrie muss die veränderten lebensweltlichen Gegebenheiten des Publikums respektieren - und bietet dafür Erzählungen an, die durch die Erfordernisse von Mobilität und Flexibilität hindurch gehen und dennoch wieder "gut" ausgehen. Die neue Form des happy ends ist jene des zweiten Versuchs: Da ist das Scheitern bereits Teil der Erzählung. Das erste Glück war eine Enttäuschung, oft gibt es Kinder, immer selbständige Frauen und meist umweltbewusste oder sonst wie moralische Personen. Grundtenor ist eine Skepsis gegenüber dem happy end, die in der und durch die Erzählung überwunden wird. Ergebnis ist ein zweites, ein aufgeklärtes happy end, das den Glauben an dieses nach seiner Enttäuschung wiederherstellen soll. Das Märchen lässt sich auch nach seiner Entzauberung weiter erzählen. Die Clooney-Hochzeit ist dafür ideal.