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Wird Ostasien bald die nächste Konfliktregion?

Von Stefan Haderer

Gastkommentare
Stefan Haderer ist Kulturanthropologe und Politikwissenschafter. Alle Beiträge dieser Rubrik unter: www.wienerzeitung.at/gastkommentare

Trotz positiver Handelsbilanzen ist die Region zwischen China, Japan, Nord- und Südkorea ein potenzieller Unruheherd.


Gerne wird in den Medien der wirtschaftliche Aufschwung von China, Taiwan, Japan und Südkorea hervorgehoben. Dass diese Region aber auch anfällig für politische Konflikte ist, beweisen die aktuellen Proteste in Hongkong. Ein wenig mag das Aufbegehren der Hongkong-Chinesen an die seit Jahrzehnten bestehenden Auseinandersetzungen zwischen China und dem Inselstaat Taiwan erinnern, dessen umstrittener Präsident Ma Ying-jeou voll und ganz hinter den Demonstranten steht. Verständlich, denn das taiwanesische Staatsoberhaupt stammt ursprünglich aus der ehemals britischen Kolonie Hongkong. Abgesehen vom Ruf nach mehr Freiheit und Demokratie verdeutlicht die jetzige "China-Krise" jedoch auch die gegensätzlichen Interessen, die die ostasiatischen Staaten - oft mit militärischer Unterstützung der USA - verfolgen und gegeneinander ausspielen.

Die Region um das Ostchinesische und Japanische Meer ist somit trotz glänzender Handelsbilanzen ein potenzieller Unruheherd, ein "Spannungsviereck" zwischen China, Japan, Nord- und Südkorea, das sich in naher Zukunft durchaus gewaltsam entladen könnte. Der chinesischen Zentralregierung ist diese Gefahr wohl bewusst, wenn sie etwa den Westen davor warnt, sich in "interne Angelegenheiten" einzumischen. Und harmonisch oder gar freundschaftlich sind die Beziehungen zwischen den ostasiatischen Staaten bei weitem nicht, wenn man einmal von Weltwirtschaftsforen und Sportevents - wie neulich bei den 17. Asien-Spielen im südkoreanischen Incheon - absieht.

Ein gutes Beispiel dafür ist jene hochrangige Militärdelegation aus Nordkorea, die zu den Wettkämpfen nach Südkorea entsandt wurde - offiziell, um die nordkoreanischen Athleten zu beglückwünschen. Manche Beobachter vermuten dahinter allerdings eine Drohbotschaft des obersten Befehlshabers Kim Jong-un, der bereits seit Wochen von der Bildfläche verschwunden ist. Seit dessen Machtübernahme im Jahr 2011 wurden mehrere Raketentests nahe der demilitarisierten Zone, der Grenze zwischen Nord- und Südkorea, durchgeführt, als Provokation gegen Südkorea und seinen engsten Verbündeten, die USA, die das stark verminte Gebiet am 38. Breitengrad gerne bei Besuchern als Naturschutzgebiet bewerben. An einer Wiedervereinigung scheint also nicht nur China wenig interessiert.

Doch auch das einst stabile Verhältnis zwischen China und Nordkorea hat sich seit der Hinrichtung Jang Song-thaeks, des Onkels von Kim Jong-un, der für mehr Öffnung zur Volksrepublik China eingetreten war, wesentlich verschlechtert. Von den historisch bedingt feindlichen Gefühlen, die man auf der gesamten koreanischen Halbinsel dem Nachbarn Japan entgegenbringt, ganz zu schweigen.

Japan selbst, das seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 zu den engsten Verbündeten der USA zählt, verfolgt eine vehement nationalistische Politik, die es bei seinen unmittelbaren Nachbarn äußerst unbeliebt macht. Neben einem ökonomischen Wettlauf könnten daher bald auch territoriale Ansprüche auf strittige Inseln im Pazifik oder Gebiete wie Hongkong, die sich von China abspalten wollen, der zündende Funke für einen neuen Krisenherd sein.