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Den Mittleren Osten einfach sich selbst überlassen?

Von Christian Ortner

Gastkommentare
Christian Ortner.

Die Militärinterventionen des Westens in der arabischen Welt waren ein einziges Desaster. Daraus kann man lernen.


Es ist eine subtile Pointe der Geschichte, dass ausgerechnet die Chefin der deutschen Grünen, Katrin Göring-Eckardt, nun für den Einsatz von Soldaten der deutschen Bundeswehr im Kampf gegen den IS ist - da hat die einst (auch) aus der Friedensbewegung heraus entstandene Partei ein ganz schönes Stück Weg hinter sich gebracht.

Nun gibt es zwar viele gute Gründe gegen so eine Militärintervention, aber der Vorstoß ist konsequent. Wer regelmäßig vom moralischen Hochsitz aus die Gräuel der NS-Zeit und das daraus resultierende "Nie wieder!" beschwört, wenn gerade irgendwo ein Schlachten stattfindet, der muss folgerichtig auch für einen Einsatz westlicher Truppen plädieren, um ein Massaker im kurdischen Kobane zu verhindern.

Bedauerlicherweise droht freilich das ethisch Gebotene mit der Realität krachend zu kollidieren. Die Erfahrung der vergangenen Dekade zeigt leider deutlich, dass der Erfolg praktisch aller Militärinterventionen des Westens in der arabisch-islamischen Welt des Mittleren Ostens seit 9/11 überschaubar war. Mit Bomben Demokratie und Rechtsstaat etablieren zu wollen, hat sich dort als Rezept fürs Desaster erwiesen.

Dazu kommt, dass die schiere Größe und Zahl der Schlachthöfe in Arabien die Kapazität des Westens klar überspannen würde. Denn während die Weltöffentlichkeit etwa das Erblühen des IS dank dessen smarter PR schaurig fasziniert betrachtet, metzeln in Libyen, wo nicht zuletzt dank westlicher Intervention Anarchie herrscht, Muslime andere Muslime nieder, ohne dass dies im Westen noch jemanden kümmert. Und was ist eigentlich mit Herrn Assad in Damaskus? Warum die Bundeswehr zwar in Kobane kämpfen soll, um Zivilisten zu schützen, nicht aber in Bengasi oder wo auch immer sonst der innerislamische Religionskrieg wütet, ist nicht schlüssig zu erläutern.

Und dann sind da noch die unerwünschten Konsequenzen derartiger Interventionen: So sind im Kampf gegen den IS nun die USA und der Iran de facto Verbündete geworden, obwohl die iranischen Atombombenambitionen und deren Potenzial, den Holocaust zu vollenden, bis vor kurzem als größte Gefahr für die westliche Welt galten. Man braucht nicht viel Fantasie, um zu vermuten, dass sich der Iran seine Hilfe im Kampf gegen den IS bei den Wiener Atomgesprächen entsprechend honorieren lassen wird. Freilich ist ein Iran, der wieder ein Stück näher an die Bombe kommt, langfristig nicht weniger gefährlich als der IS.

Leider ist genau dies das unselige Muster, an dem alle westlichen Interventionen in dieser Gegend scheiterten: Die vermeintliche Befreiung des Irak mutierte zum Beginn eines blutigen Religionskrieges, in Libyen wurde die Anarchie entfesselt, sogar die Unterstützung des Ägyptischen Frühlings mündete im Aufstieg der Muslimbruderschaft und in der Renaissance der Diktatur.

Ein gutes Argument, warum ein richtiger, konsequent geführter Krieg des Westens gegen den IS günstiger ausgehen sollte, ist leider nicht in Sicht. Auch wenn es außerordentlich unbefriedigend ist: Immer mehr spricht dagegen, dass der Westen in Arabien auf der einen oder anderen Seite massiv militärisch eingreift, von kleinen, begrenzten humanitären Einsätzen einmal abgesehen. Alles andere wird mehr Probleme schaffen als lösen.