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Weiter so wird nicht reichen

Von Andreas Novy

Gastkommentare
Andreas Novy ist außerordentlicher Universitätsprofessor am Department für Sozioökonomie der Wirtschaftsuniversität Wien.

Die brasilianischen Präsidentschaftswahlen haben den Kurs der zwölf Jahre regierenden Arbeiterpartei PT erneut bestätigt. | Dilma Rousseff bleibt Präsidentin. Einfacher wird es in den kommenden Jahren für sie aber nicht.


Wer die Wahlen verloren hat, ist klar: Aécio Neves ist nach kurzem Höhenflug schließlich auf zu viel Misstrauen gestoßen, obwohl die Unzufriedenheit mit Brasiliens Regierung groß ist, wie der kurzfristige Höhenflug der Newcomerin Mariana Silva zeigte. Jedoch reichte der Ärger über Korruption, Klüngelwirtschaft und ökonomische Schwächen ebenso wenig für einen Machtwechsel wie die massive Unter-
stützung der Medien und der weißen Mittelschicht.

Vielleicht entscheidend war ein fatales Managementversagen im von der neoliberalen Opposition regierten São Paulo: Der Millionenstadt droht eine weitgehende Wasserrationierung aufgrund fehlender Investitionen, während die teilprivatisierte Wasserfirma Sabesp gleichzeitig hohe Dividenden an der New Yorker Börse ausschüttet.

Hinzu kommt, dass kaum jemand offen die Erfolge der Arbeiterpartei PT bei der Abschaffung von Hunger, der erfolgreichen Armutsbekämpfung, der Reduktion der Arbeitslosigkeit und dem Aufstieg einer neuen Mittelschicht anzweifelte. Das sicherte ihr die Stimmen der Armen und der Schwarzen. Im Wahlkampf gelang es dann noch, Dilma Rousseff als Garantin eines liberalen und frauenfreundlichen Brasiliens zu präsentieren. Die Angst vor sozialpolitischen und menschenrechtlichen Rückschritten ermöglichte ein breites Bündnis aus Künstlern, Intellektuellen und sozialen Bewegungen. Selbst Umwelt- und Indigenen-Aktivisten, die regelmäßig gegen Großprojekte mobilisieren, ergriffen für die Präsidentin Partei.

Die Wiedergewählte ist trotzdem keine strahlende Siegerin: Nach den gleichzeitig stattgefundenen Gouverneurs- und Parlamentswahlen gibt es wenig Grund zur Überheblichkeit. Im Kongress verlor die PT ein Fünftel der Abgeordneten, gestärkt wurden konservative Kleinparteien mit finanzstarken Kandidaten. Der parlamentarische Stimmentausch wird für die Regierung in Zukunft noch teurer. Die Präsidentin muss nun verhindern, nicht Gefangene eines korruptionsanfälligen und von Lobbys dominierten Kongresses zu werden. Ihr Handeln wird auch auf der Straße genau beobachtet. Und die außerparlamentarische Opposition lässt wenig Zweifel aufkommen, dass sie sich verstärkt Gehör verschaffen und den Konflikt mit der Regierung in Kauf nehmen würde.

Es ist verständlich, dass Rousseff bis jetzt vermieden hat, Konflikte zuzuspitzen. Verliert nämlich ihre Regierung die Unterstützung im Kongress, wird das Regieren in Brasilien ähnlich schwierig wie für Barack Obama in den USA. Folgen aber auf die reformwilligen Worte im Wahlkampf keine Taten, ist die Wut in der Gesellschaft schwer kontrollierbar. Das erklärt auch, dass sie sich schon am Wahlabend sowohl für ein Referendum zur Reform des politischen Systems als auch für weitere wirtschaftsfördernde Initiativen aussprach. Das Spannungsverhältnis von Regierbarkeit und Glaubwürdigkeit wird wohl in den kommenden Jahren bis an die Grenze ausgereizt. Auf Brasilien kommen spannende Zeiten zu.