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Ein Stückchen All erobert

Von Christian Lukner

Gastkommentare

Die Rosetta-Mission belegt: Energieversorgung und Informationsübertragung spielen bei der Schlüsseltechnologie Raumfahrt die Hauptrolle.


Die Rosetta-Mission ist an Präzision, Effektivität und hervorragender Planung und Organisation kaum noch zu überbieten. Viele bei der Mission gewonnen Erkenntnisse werden sich erst in den kommenden Jahren als grundlegend für zahlreiche Anwendungen erweisen und das Leben künftiger Generationen nachhaltig verändern. Wer weiß schon, wie es mit der Evolution weitergeht? Und mit der Biologie? Am Erfolg der Mission ändert auch der Dämpfer bei der Landung nichts, nach der Philae in einer abgeschotteten Position liegen blieb und die Solarmodule nicht genug Strom produzierten, sodass der Lander unfreiwillig in eine Art Schlafzustand versetzt werden musste. Dennoch konnte das Untersuchungsprogramm in der zur Verfügung stehenden knappen Zeit (rund 60 Stunden) praktisch komplett abgewickelt werden. Die Daten werden unmittelbar mithilfe der Mikrowellentechnik zur Erde gefunkt und können dort in aller Ruhe ausgewertet werden. Die unglaubliche Datenmengen, die unser Verständnis von der frühen Phase und Entwicklung des Sonnensystems (vor mehr als vier Milliarden Jahren) sowie der Entstehung von Leben (vor Millionen von Jahren) revolutionieren könnten, werden die Forscher noch lange beschäftigen.

Dass nicht alles so geklappt hat, wie man es sich gedacht hatte, macht dieses Menschheitsexperiment eher sympathisch. Fehler gehören zum Erkenntnisprozess, weil man aus ihnen lernen und es beim nächsten Mal besser machen kann. Für einige beteiligte Wissenschafter bedeutet die Arbeit an der Rosetta-Mission ein Lebenswerk, manche haben über Jahrzehnte auf dieses Ziel hingearbeitet und sich bereits während oder nach dem Studium mit dem Thema beschäftigt. Gut zehn Jahre lang wurde geplant und konstruiert, bis Rosetta im März 2004 abheben konnte. Und nicht nur am Ziel, sondern schon während der langen Reise wurden zahlreiche Beobachtungen durchgeführt (Rosetta flog zum Beispiel am Mars und an zwei Asteroiden vorbei), ehe der Komet erreicht war. Man muss sich vorstellen, dass der für Weltraumverhältnisse kleine Winzling mit einer atemberaubenden Geschwindigkeit von gut 50.000 Stundenkilometern durch unser Sonnensystem rast.

Erst 2015 soll die Mission abgeschlossen sein. Und es ist durchaus möglich, dass Philae nochmals aus seinem Tiefschlaf aufwacht, wenn bei Annäherung an die Sonne durch die stärkere Strahlung die Module wieder die Batterien aufladen.

Eine Sonde so weit zu schicken, ist natürlich eine Frage der Energie. Mit der Photovoltaik hat man eine an sich unerschöpfliche Energiequelle gewählt und nicht wie sonst üblich auf den nuklearen Antrieb (Isotopen-Batterie) zurückgegriffen. Schon das allein kann man als Meisterleistung der Ingenieure bezeichnen. Rosetta war energetisch völlig allein auf sich und die Physik gestellt. Die Zukunft wird zeigen, ob wir diese Technologie auch auf der Erde auf die Straße übertragen können.

Alles zusammen war nur möglich durch eine gut organisierte interdisziplinäre Zusammenarbeit auf der internationalen Ebene. Ich würde mir wünschen, dass auch in der internationalen Politik das Gemeinsame über die Partikularinteressen einzelner Länder oder Nationen gestellt würde. Dann wäre die Welt vielleicht etwas friedlicher.

Christian Lukner ist Diplomphysiker und Regierungsdirektor im Bundesumweltministerium Bonn.