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Ist der "IS" eine Hervorbringung von Mossad und CIA?

Von Isolde Charim

Gastkommentare

Zum Thema Verschwörungstheorien.


Die "Zeit" hat dem Phänomen eine eigene Serie gewidmet: die Verschwörung der Woche. Diesmal ging es um die "These", dass der IS von Mossad und CIA erschaffen wurde: Der "Islamische Staat" wäre eine gemeinsame Hervorbringung von israelischem und amerikanischem Geheimdienst. Warum sie das tun sollten? Um Israels Sicherheit zu stärken, indem die Marionette IS anderswo Chaos sät!

Nicht dass es nicht auch andere schöne Verschwörungstheorien gäbe - etwa 9/11 oder Jörg Haiders Unfalltod als verkappte Mossad-Aktionen. Die Beispiele sind endlos und der Mossad ist immer dabei. Durch das Internet, also der Möglichkeit von unkontrollierbaren Öffentlichkeiten, sind Verschwörungstheorien zu einer richtigen Plage geworden. Das Beispiel mit dem IS ist da ein besonderer Leckerbissen - eine gute Gelegenheit, das Phänomen in "Reinkultur" (man genieße die Paradoxie des Ausdrucks) zu betrachten.

Generell gilt für alle Verschwörungstheorien, dass sie von einem gnostischen Impuls getragen sind. Ihnen unterliegt also die Vorstellung, dass dem Sichtbaren, dem Offensichtlichen, dem Bekannten - heute verstanden als Mainstream oder als "veröffentlichte Meinung" - generell zu misstrauen sei. Ebenso gehört zum gnostischen Drall auch der Einspruch im Namen eines anderen, eines Geheimwissens, das die "wahre" Herrschaft hinter dem Sichtbaren zu erkennen vermeint. Nun lässt sich dieses "Geheimwissen" in zwei Typen unterteilen.

Der eine Typus von Verschwörungstheorien beruht auf der Vorstellung eines verkappten Interesses: Das öffentliche, politische Handeln wäre demnach nur ein Vorwand, um das eigentliche - das krude materielle Interesse - zu befördern. In den letzten Jahren lief dies auf ein Wort hinaus: Öl. Bei allen geopolitischen und kriegerischen Geschehnissen ginge es nur um den Zugang zu den Ölvorkommnissen. Es ist dies eine Verschwörungstheorie, die die Realität zumindest streift. Hier überwintert die vulgärmarxistische Vorstellung, es gäbe nur eine Realität, die ökonomische Basis, und alle politischen, religiösen oder ideologischen Momente seien reiner Schein. Überbau nannte man das früher. Die Verschwörungstheorie wird hier zur Schwundstufe des Marxismus.

Der andere Typus ist der eingangs erwähnte: jene Vorstellung, die alles politische Geschehen auf geheime Machenschaften zurückführt, auf den einen Strippenzieher, der alles lenkt - ein wahrer Demiurg, ein Weltenlenker, für den sogar Feinde nur eine Konstruktion sind. Der Feind, in dem Fall der "Islamische Staat", wird nur konstruiert, um die "wahre" Herrschaft zu verbergen - jene des Mossads gegen den sogar die "Weisen von Zion" nur Waisen sind. Solcher Wahn ist die vielleicht letzte, die vielleicht einzige Form, in der der ungebrochene Glaube an die Politik noch intakt ist, der Glaube an deren Handlungsmacht noch überlebt.

Die "Zeit" hat versucht, diese abstrusen Vorstellungen durch plausible Argumente zu widerlegen. Ein aussichtsloses Unterfangen. Denn der Verschwörungstheoretiker versteht sich selbst, darin ganz Gnostiker, als echter Wissender, als einzig Erkennender: ein einsamer Yedi-Ritter gegen die wahren Herren der Welt. Was für ein Mehrwert! Was für eine Selbstermächtigung! Was ist da das bisschen Realität dagegen?