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War on Error

Von Adrian Lobe

Gastkommentare
Adrian Lobe: Der freie Journalist studiert Politik- und Rechtswissenschaft an der Universität Heidelberg und ist für verschiedene Zeitungen im deutschsprachigen Raum tätig.

Der IS ist keine Terrororganisation, sondern im Kern kriminell. Daraus muss der Westen Konsequenzen für die Kriegsführung ziehen.


Entführungen, Vergewaltigungen, Enthauptungen - der "Islamische Staat" (IS) verbreitet Angst und Schrecken. Geschickt bespielen die Mörderbanden soziale Medien und inszenieren sich als erbarmungslose Gotteskrieger. Gleichwohl: Die Kämpfer des IS sind keine Terroristen.

Was ist überhaupt eine Terrororganisation? In der Politikwissenschaft gibt es eine Flut von Definitionen. Man kann nicht leugnen, dass der IS einige Charakteristika wie Propaganda oder die Planung spektakulärer Aktionen mit massenmedialer Wirkung (etwa in Form von Enthauptungsvideos) auf sich vereinigt. Die zentralen Kriterien - den Nichtbesitz von Macht und die Durchführung von Anschlägen - erfüllt der IS jedoch nicht.

Der IS ist ein quasi-staatlicher Akteur, der ein Gebiet von Aleppo bis Bagdad unter seiner Kontrolle hat. Und sein Tätigkeitsfeld liegt nicht in der Ausübung von Anschlägen. Das unterscheidet den IS wesentlich von der Terrororganisation Al-Kaida, deren versprengte Terrorfilialen in Nordafrika, in Pakistan und im Irak regelmäßig Anschläge verüben. Mögen sich die Anhänger noch so sehr in der Weltöffentlichkeit als fanatisierte Kämpfer gebärden - den Schergen des IS geht es nicht um Ideologie, sondern um Macht.

Man muss sich bei aller Propaganda vor Augen führen, mit welchem Feind man es zu tun hat. Der IS rekrutiert sich im Wesentlichen aus kampferprobten Milizen und ehemaligen Offizieren des Regimes von Saddam Hussein. Der IS will die sunnitische Vorherrschaft an Euphrat und Tigris zurückerobern. Das ist ein militärisches und kein terroristisches Ziel. Der IS-Krieg ist die Fortsetzung der Realpolitik mit brutalen Mitteln.

Das Label "Terroristen", das westliche Strategen den Kombattanten anheften, ist somit falsch. Der IS stellt im Kern eine (transnationale) kriminelle Organisation dar, die über ein diversifiziertes Netz an Einnahmequellen verfügt. Neben der Produktion von Öl im Nordirak finanziert sich die Gruppe zu einem großen Teil aus dem Handel mit geraubten und geschmuggelten Antiquitäten. Bei der Eroberung der nordirakischen Stadt Mossul zum Beispiel sollen die Dschihadisten Berichten zufolge rund 450 Millionen Dollar aus der Zentralbank erbeutet haben. Die Kriegskasse ist prall gefüllt - geschätzte zwei Milliarden Euro beträgt das Vermögen. Der IS weist auch auffällige Parallelen zur mexikanischen Drogenmafia auf. Die dortigen Drogenbosse sichern ihre Herrschaftsgrenzen mit Paramilitärs ab und richten zur Abschreckung Menschen hin.

Aus der Tatsache, dass der IS keine Terror-, sondern eine kriminelle Organisation ist, muss der Westen Konsequenzen für die strategische Kriegsführung ziehen. Den Kampf gegen den IS gewinnt man nicht auf dem Schlachtfeld (genauso wenig, wie man Terroristen militärisch besiegen kann), sondern in den Auktionshäusern in Großbritannien und in den USA. Dort wird weiterhin Raubkunst versteigert. Durch ein Handelsverbot von Gütern zweifelhafter Provenienz ließe sich eine wichtige Finanzierungsquelle dieser Kriminellen trockenlegen. Wenn die Geldströme des IS versiegen, gehen ihm in absehbarer Zeit auch die Kämpfer verloren.