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Das Mittagsland, ein Traum, ein Muss

Von Werner Stanzl

Gastkommentare
Werner Stanzl ist Publizist und Dokumentarfilmer.

Die Pegida-Demonstrationen kündigen einen Kampf der Kulturen an. Nur ehrlicher Laizismus in Äquidistanz kann ihn verhindern.


Die Furcht vor dem Islamismus warf und wirft Fragen auf, doch die Antworten gehen ins Leere. Nicht, dass sie die Massen intellektuell überforderten, nein, sie zweifeln an der Redlichkeit der Antwortgeber. Nichts wissen sie zum Beispiel mit der zur Schau gestellten Islamfreundlichkeit klerikaler Stellen anzufangen, scheint sie doch unvereinbar mit den Eckwerten der Kirchengeschichte.

Soll sie über eine Aufwertung aller Religionen der eigenen die Macht im Ausmaß von dereinst bescheren? Erklären sich so die vielen Schlagzeilen zum Lächeln des Papstes, zur Beschneidung, zum Ramadan und zu den Heiligsprechungen erst kürzlich Verstorbener? Steckt hinter dem publizistischen Eifer der Medienmacher mehr als eine nervtötende Fehleinschätzung des öffentlichen Interesses? Leiden diejenigen, die vor dem Islam warnen, tatsächlich an der Geisteskrankheit Phobie? Sind die Pegida-Demonstranten ("Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes") bloß ein Haufen schlichter Geister, verführt von Rechtsradikalen, oder stehen sie für ein stetig zunehmendes Empfinden des Mehrheitsvolkes? Kündigt sich so die kulturelle Zerreißprobe an?

Ein Szenario, in dem die katholische Kirche Erfahrung hat, sich als das kleinere Übel anzubieten. So geschehen in Francisco Francos Spanien, im Nachkriegsitalien der Democrazia Cristiana und in Österreich unter ihrem Seminaristen, dem unseligen Bundeskanzler Engelbert Dollfuß. Im Kampf gegen Sozialismus, Sozialdemokratie und für mehr Chancengleichheit legte er mit "Gott will es" (Katholikentag 1933) das Land in die Fesseln des klerikalen Faschismus. Das Wiener Diözesanblatt feierte den Gewaltakt als Ende der "Phrase von der falsch verstandenen (. . .) gottesleugnerischen Volkssouveränität" (Dezemberausgabe 1933).

Es ist ein Naturgesetz, dass die zweitstärkste Religionsgemeinschaft - damals der Sozialismus, heute der Islam - auf den Platz der stärksten schielt - und ab einem unbestimmten Zeitpunkt nicht nur schielt. Es ist ebenso ein Naturgesetz, dass sich die statistisch Erstplatzierte nicht einfach beleidigt zurückzieht. Folglich müsste die österreichische Gesellschaft, geleitet vom Parlament und von den Landtagen, schleunigst den Gang in den Staatslaizismus antreten.

Bald werden mehr als 50 Prozent der Pflichtschüler in unseren Ballungszentren moslemisch sein. Da kann es doch jedem nur als recht und billig erscheinen, wenn der Staat keine der Religionsgemeinschaften bevorzugt. Was zu der Frage führt: Wo blieben eigentlich die Laizisten der Sechziger- und Siebzigerjahre des 20. Jahrhunderts, die die Anpassung archaischer Gesetze an Österreich live unerbittlich herbeidebattiert haben? Sind sie ganz ohne Erben geblieben?

Nur eine Besinnung auf diesen Geist, eine ehrliche Äquidistanz des Staates zu den Konfessionen, kann den Straßenkrieg der Eiferer und Blutvergießen verhindern. Aus dem christlichen Abendland muss um des inneren Friedens willen etwas Neues entstehen. Nicht Morgenland, nicht Abendland, sondern Mittagsland, in dem die Sonne immer im Zenit steht. Nur ein solches könnte ein Beispiel sein für islamische Staaten. Was sollen sie schon mit einer christlichen Vorgabe anfangen können?