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ÖIAG neu, alt oder uralt?

Von Kurt Bayer

Gastkommentare
Kurt Bayer war Board Director in der Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD).

Macht die Regierung ihre bisher kolportierten ÖIAG-"Lösungen" wahr, prophezeie ich ihr ein weiteres Debakel.


Spätestens nach dem mehrfachen Debakel im vorigen Jahr mit der Bestellung des Aufsichtsrats-Präsidenten, der Telekom-Übernahme durch Carlos Slim und der ÖMV-Personalien war sogar den Regierungsparteien klar, dass das Konstrukt der ÖIAG, das von Schwarz-Blau geschaffen wurde, im Sinne des österreichischen Gemeinwohls, also einer zielgerichteten Industriepolitik und der Instrumentalisierung wichtiger Infrastrukturinstitutionen zum Wohle der Gesellschaft, so nicht weitergeführt werden kann. Die unselige "Selbsterneuerung des Aufsichtsrates", die parteipolitischen und machtpolitischen Verflechtungen, die einer kleinen Clique das Sagen (und die daraus resultierenden Gewinne und Posten) überlassen, müssen ein Ende haben. In jedem Unternehmen muss der Eigentümer sowohl die strategische wie die damit einhergehende personelle Verfügungsmacht ausüben (wollen und können).

Aber anstatt dass man von einer externen Expertengruppe, die nicht parteipolitisch oder sozialpartnerschaftlich besetzt sein muss (ja, solche Experten gibt es in Österreich auch), ein funktionsfähiges Konzept erarbeiten lässt, wird das Konzept innerparteilich und sozialpartnerschaftlich "ausgedealt". Dabei treten die alten Seilschaften und Bruchlinien auf: Ministerien weigern sich, die Verfügungsmacht über "ihre" Unternehmen aufzugeben, die Posten sollen offenbar wieder einmal im Parteiproporz vergeben werden, Strategielinien, ob es "nur" um die Verwaltung der verbleibenden Anteile oder um eine aktive Industriestrategie gehen soll, werden verwaschen. Herauskommen wird - wieder einmal - ein fauler Kompromiss, der aller Aussicht nach nicht zukunftsfähig im Sinne der österreichischen Gesellschaft und Wirtschaft sein wird. Partikulare Interessen überwiegen wieder.

Die primäre Aufgabe wäre es, den Einfluss des Eigentümers (Regierung) wieder herzustellen, aber ohne das Unternehmen partei- und sozialpartnerschaftlichem Proporz auszuliefern. Ich weiß schon: Das wird im offiziellen Österreich für realpolitisch naiv und daher unrealistisch gehalten (wie auch Andreas Schnauder im "Standard" am 12. Jänner schreibt). Aber: Reichen die rasant zunehmende Arbeitslosigkeit, die Wirtschaftsproblematik, der mangelnde Wettbewerb in Österreich, der EU-weit zu einzigartigen Preissteigerungen führt, die Ignoranz umweltpolitischer Belange, die zunehmende Abwendung der Bevölkerung von der offiziellen Politik noch immer nicht aus, um in wichtigen strategischen Fragen einmal über den Proporzschatten zu springen und eine funktional tragfähige Lösung zu suchen? Das bedeutet natürlich keineswegs, dass nicht auch Parteimitglieder Positionen in der ÖIAG neu bekleiden können sollen. Aber es bedeutet, dass die Regierung endlich die Anliegen der Gesamtbevölkerung wahrnimmt, die es leid ist, Macht- und Einflussabsicherung der Regierungsparteien den Vorzug vor dem Gemeinwohl zu geben.

Macht die Regierung ihre bisher kolportierten ÖIAG-"Lösungen" wahr, prophezeie ich ihr ein weiteres Debakel, sowohl was die ÖIAG selbst und ihre Unternehmen betrifft als auch die weitere Abwendung der Bevölkerung von der offiziellen Politik.