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Japan kommt den USA entgegen

Von Stefan Haderer

Gastkommentare
Stefan Haderer ist Kulturanthropologe und Politikwissenschafter. Alle Beiträge dieser Rubrik unter: www.wienerzeitung.at/gastkommentare

Die Ostasien-Strategie der Vereinigten Staaten scheint aufzugehen. | Die enge Verbundenheit zwischen Washington und Tokio sorgt allerdings in der Region für Unruhe.


Die brutale Hinrichtung des japanischen Journalisten Kenji Goto durch IS-Kämpfer am 30. Jänner hat hohe Wellen im fernöstlichen Inselreich geschlagen und die Regierung des japanischen Premierministers Shinzo Abe in höchste Alarmbereitschaft versetzt. Im Kampf gegen die IS-Milizen hat der Westen in Japan nun einen neuen Verbündeten gewonnen, während gleichzeitig das bisweilen etwas abgekühlte Verhältnis zwischen Washington und Tokio enger geworden ist. Wird Japan künftig also seiner pazifistischen Haltung abschwören und sich in eine vehementere, proaktive Nahost-Politik unter Führung der USA einbinden?

Den unmittelbaren Nachbarstaaten in der Region - China, Nordkorea und Südkorea - ist der im Jahr 2012 wiedergewählte Premier Abe schon lange ein Dorn im Auge. Und das nicht nur wegen der starken Sympathien Japans für die USA. Sein Nationalismus und seine Unnachgiebigkeit, was die Gräueltaten japanischer Soldaten in den eroberten Nachbarländern zu Beginn des 20. Jahrhunderts betrifft, kennen keine Grenzen. Offen zur Schau stellt Abe seinen Patriotismus etwa bei häufigen Besuchen am Yasukuni-Schrein, dem umstrittenen Heldendenkmal der japanischen Nation. Der idyllische Hain im pulsierenden Herzen Tokios, wo selbst den gefallenen Pferden ein Mahnmal gesetzt wurde, erinnert viele Japaner an die Opfer vergangener Kriege, für Koreaner und Chinesen ist ein Staatsbesuch dort jedoch die reinste Provokation. Dies scheint westliche Regierungen, die sonst nicht davor zurückschrecken, ihnen unangenehme Staaten an einstige Schandtaten und menschenrechtliche Verletzungen zu erinnern, wenig zu stören.

Im Angesicht der sowjetrussischen Bedrohung 1945 hatte Japan kapituliert. Die Allmacht des Tenno Hirohito, des gottgleichen Herrschers auf dem Chrysanthementhron, war gebrochen, denn ihm wurde jede militärische Befugnis entzogen. Eine neue Verfassung wurde unter dem US-Kommandanten General Douglas MacArthur für Japan ausgearbeitet, die für die Nation eine defensive außenpolitische Haltung vorsah - diese steht allerdings derzeit auf dem Prüfstand. Abes konservative Regierung macht kein Hehl daraus, dass sie sich vom verfassungsrechtlich festgelegten Pazifismus verabschieden will, der lediglich ein militärisches Einschreiten bei einer Verletzung der territorialen Einheit des Inselstaates ermöglicht.

Ein proaktiveres Vorgehen Japans kommt den USA momentan durchaus entgegen. Schon im April 2014 habe Abes Regierung ein strenges Waffenexportgesetz, das ein halbes Jahrhundert gegolten hatte, abgeändert, berichtete die "Asia Times". Im internationalen Krieg gegen den Terror können die USA aber nur bedingt auf die Unterstützung des Inselstaates zählen, denn Japan benötigt seine Streitkräfte wohl eher für die Sicherung der eigenen Grenzen. Regionale Konflikte über Besitzansprüche auf verschiedene Inseln im Japanischen und Ostchinesischen Meer könnten nämlich ohne weiteres rasch eskalieren.