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Die Komik der Ohnmacht

Von Werner Stanzl

Gastkommentare
Werner Stanzl ist Publizist und Dokumentarfilmer.

Bibelzitate als Volksverhetzung. Ein Staatsanwalt ermittelt gegen einen Pastor und damit indirekt auch gegen Inhalte des Alten Testaments.


Herr Karl hätte es aus seinem Gwölb heraus vermutlich so erklärt: "Jetzt haben’s Oberwasser, die Juden. Denn wann ihnen des Morden und Töten von den Islamisten über de Huatschnur geht, kennan’s no immer die Einladung nach Israel annehmen. Wir aber miassatn dableibn, wer möcht unseran schon nehman." Womit Kurt Tucholsky einmal mehr Recht behält: "Jede Ohnmacht hat ihre Komik." Die des Herrn Karl und die der Politiker Europas.

Zum möglichen oder sich gar abzeichnenden Showdown der Kulturen nicht mehr zu bieten als die Losung, einfach wegzuschauen, weiter Karikaturen zu zeichnen, weiter Karneval und Fasching zu feiern, weiter Stadtmarathons zu laufen und so zu tun, als gäbe es die mordenden Gottesanbeter gar nicht, ist starker Tobak. Denn so viel wissen Staatsvölker der Mitgliedstaaten: Wegschauen verhindert den Tsunami nicht, Schuldenmachen nicht den Staatsbankrott, das Unterdrücken von U-Ausschüssen nicht die Korruption.

Schon vor Jahren war abzusehen, dass die Zuwanderer aus fremden Kulturen nicht einfach in der unseren aufgehen würden wie vor 150 Jahren die böhmischen Stubenmadln. Das änderte nichts am Kurs der hohen Politik. Und das Entgegenkommen, ja die Solidarisierung sogenannter Gutmenschen mit der Intoleranz einwandernder Glaubenseiferer führte zu einer Aufwertung aller Religionen. Welch ein Rückfall ins Mittelalterliche - sind doch Bekenntnisse allesamt heute wie eh und je dazu angetan, (Bürger-)Kriege auszulösen, wie Irland und Jugoslawien nachhaltig bewiesen haben.

Was ein öffentlicher Papstkuss Johannes Pauls II. für den Koran zum Ausdruck bringen sollte, blieb bis zuletzt ungeklärt. Gesichert ist nur, dass er Verwirrung stiftete, vom kleinen Ministranten bis hinauf ins Kardinalskollegium. Seine Nachfolger haben seither zurückgerudert: Benedikt XVI. mit seiner Rede von Regensburg, Franziskus bei der Begegnung mit Moslems bei Besuchen in Albanien und der Türkei.

Protestantische Hardliner konnte das päpstliche Hin und Her im Verhältnis zwischen Christen und Moslems ohnedies wenig beeindrucken. Sie sagen offen, was Millionen Katholiken bloß denken dürfen. Olaf Latzel etwa, Pastor der Martinikirche in Bremen, predigt von der Kanzel herab, das islamische Zuckerfest sei ein "Blödsinn" und zitiert aus dem Alten Testament für die Konkurrenz von Gottvater: "Götzen umhauen, verbrennen, zerhacken . . ." Für seine Schafe eine Frohbotschaft. Wenn Latzel predigt, ist die Martinikirche voll.

Die Kirchenleitung will jetzt mit dem Prediger darüber reden. Kein theologisches Zuckerschlecken für die Adlaten. Denn der Pastor hat nur Bibelverse zitiert wie seinerzeit Papst Urban für die Kreuzritter und jetzt die Kämpfer des IS, die sich auch auf Koranstellen berufen, die jedermann nachlesen kann. Denn alle Bücher der Abrahamiten, also der Juden, Christen und Moslems, eignen sich als Brandbeschleuniger. Das wird auch Bremens Staatsanwalt feststellen müssen, der jetzt wegen Volksverhetzung gegen Latzel ermittelt - und damit indirekt gegen Bibelverse. Würde der Pastor verurteilt, müsste in logischer Konsequenz das Fundament von drei Weltreligionen als gefährliches Schriftgut auf dem Index landen.