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Frauen am Zebrastreifen

Von Isolde Charim

Gastkommentare
Isolde Charim ist Philosophin und Publizistin und arbeitet als wissenschaftliche Kuratorin am Kreisky Forum in Wien.
© Daniel Novotny

Wohin führt die "Abbey Road"?


Viel Häme hat das neue Frauensujet der SPÖ Wien dieser Tage einstecken müssen: Vier Politikerinnen schreiten in Beatles-Manier über einen Zebrastreifen. Es ist sehr gut, wenn gerade Frauenpolitikerinnen entspannt und witzig sind. Das Problem bei diesem Bild ist aber, dass Zitate auf ihr Original verweisen. Und der Witz dieses Originals besteht in seiner Ambivalenz. So ein Bild wird nicht ohne Grund zu einem Kultbild. Das "Abbey Road"-Cover lebt von der Spannung zwischen Aufbegehren und Einordnen: lange Haare und Anzüge. Rebellen am Zebrastreifen. (Dieser Zebrastreifen ist heute übrigens - eine schöne Verkehrung - denkmalgeschützt.) Das SPÖ-Bild verfehlt solche Mehrdeutigkeit, sondern versucht sich an einer anderen Ambivalenz: jener im Slogan "Good Weibs für Wien". Der Versuch, ein Schimpfwort aufzugreifen und umzucodieren?

Weitere Ambivalenzen finden sich im Inneren der Broschüre. (Das Motiv ist nicht nur Plakat, sondern auch Deckblatt einer Broschüre, die dieser Tage in Wien verteilt wird.) Man muss nicht gleich die glorreiche sozialdemokratische Tradition, ihren erfolgreichen Kampf um Frauenrechte beschwören. Der Kampf war früher ein anderer. Früher ging es darum, gesellschaftliche und rechtliche Zwänge zu sprengen. Aber selbst, wenn sich der Charakter der Auseinandersetzungen heute verändert hat, selbst wenn wir heute in einem paradoxen Raum leben, wo Widersprüche nicht so eindeutig sind - eine Gesellschaft, in der Kritik die Form der Affirmation sein kann und Einsprüche die neue Form der Zustimmung. Selbst, wenn wir heute also in einer Welt der Verkehrungen leben: Muss es sein, dass dort, wo früher Frauenbewusstsein gefördert wurde, heute Tipps zur Selbstoptimierung stehen? Für die emanzipierte Frau soll heute "das Ich im Zentrum" stehen, lesen wir da. Und das, was in den 1970er Jahren vielleicht noch alternative Formen des Lebensbezugs gewesen sein mögen - von Yoga bis Drachenqigong -, wird hier zum Trainingsangebot im Dienste der Ich-Stärkung. Da geht es darum, "Potentiale zu leben", "Stärken wirken zu lassen". In "lockerer Atmosphäre" soll ein "Motivationstraining speziell für Frauen" diese in die schöne neue Welt der Marktkonkurrenz begleiten. Ist Frauenbewusstsein heute wirklich nur mehr weibliche Selbstoptimierung? Hat den Autoren niemand gesagt, dass Neoliberalismus nach dem Judo-Prinzip funktioniert: Er nutzt die Kräfte des Gegners, indem er sie erfolgreich umwendet. Eine andere derartige Ambivalenz ist das Projekt des "Frauenstadtplans". Hier sollen online frauenspezifische Tipps - "die besten Treffpunkte", "die beliebtesten Kinderspielplätze" oder "Start-Ups in weiblicher Hand" - gesammelt und in den Stadtplan eingezeichnet werden: "Interessante Tipps von Frau zu Frau". Wieso unterscheidet sich eine SPÖ-Frauenbroschüre nicht mehr von der "Bunten"? Ist das der Stand des Feminismus?

Ja, es ist gut, starke, erfolgreiche Frauen zu präsentieren - paradigmatische Frauen wie Politikerinnen. Vielleicht mag es auch gut sein, eine "Stadt der Frauen" sichtbar zu machen, wenn man Orte für Frauen markiert. Aber wie entgeht man der Ambivalenz, dass diese Orte zu Nischen werden? Der Ambivalenz, dass Frauenpower zum "Frauenghetto" wird, in dem man "mit frischer Kraft ins Frühjahr" startet?