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Warum geht Dmitrij Firtasch einen Sonderweg?

Von Kurt Bayer

Gastkommentare
Kurt Bayer war Board Director in der Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD).

Dass der ukrainische Oligarch beim Wiederaufbau in der Heimat auf Michael Spindelegger setzt und dabei die EBRD ignoriert, macht stutzig.


Vor einigen Tagen wurde die Meldung verbreitet, dass der ukrainische Oligarch Dmitrij Firtasch eine Modernisierungsagentur für die Ukraine mit einem Umfang von rund 300 Millionen Dollar gründen werde, die vom ehemaligen österreichischen Vizekanzler und Finanzminister Michael Spindelegger geleitet werden solle. Firtasch ist einer der reichsten Männer der Ukraine, war lange mit dem geflohenen Präsidenten Wiktor Janukowitsch eng verbunden und scheint nun mit dieser neuen Agentur, die auch andere Persönlichkeiten aus dem Westen mit guten politischen Kontakten als Berater angeworben hat, besondere Akzente in der notleidenden Ukraine setzen zu wollen.

Dass die ukrainische Wirtschaft viel Hilfe brauchen kann, ist klar. Aber die (Wieder-)Belebung der ukrainischen Wirtschaft benötigt Fachwissen, Koordinierung mit der Regierung und deren Investitionsplänen sowie eine gewisse "Reputation", um in- und ausländische Investoren zum Investieren in diesem äußerst schwierigen Land zu bewegen. Inwieweit Firtaschs Schritt mit der ukrainischen Regierung abgesprochen ist, ist unsicher. Einige wichtige Stimmen aus Kiew scheinen über diese Initiative unglücklich zu sein. Dass jemand aus der Ukraine in der Ukraine uneigennützig nur das Gute und Schöne fördern will, kann man heutzutage schwer glauben.

Was also hat Firtasch vor? Und warum bedient er sich der Dienste Spindeleggers, der weder als Projektentwickler noch als Businessman oder als Geldauftreiber glaubhafte Referenzen aufzuweisen hat? Wie gut seine Kontakte zu möglichen Investoren sind, mag dahingestellt sein. Natürlich ist vielen Menschen klar, dass in der Ukraine heute, so wie früher, Business und Politik eine ganz enge Beziehung eingegangen sind, dass es kaum eine größere Investition ohne eigen-politische Interessen gegeben hat und gibt, dass die Offenheit der Wirtschaft und das Spielen nach internationalen Regeln noch immer weit in der Zukunft liegende Träume sind. Und dafür ist nicht nur die Auseinandersetzung mit Russland verantwortlich, sondern es sind auch jene Frauen und Männer, die das Land seit der Wende 1989 zugrunde gerichtet und für ihre eigenen Zwecke ausgebeutet haben - und deren Praktiken und Machenschaften auch heute noch am Werk sind.

Es fragt sich aber auch, warum Firtasch seine Millionen (die noch aufzutreiben sind) nicht in bestehende Institutionen wie die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung einbringt, die starke Vorort-Präsenz und langjährige Ukraine-Erfahrung hat, die funktionierenden Teile der Wirtschaft bestens kennt, dort in den vergangenen Jahren viele Projekte verwirklicht hat und allein 2015 Investitionen von etwa einer Milliarde Euro dort finanziert hat. Damit liegt die Ukraine an der Spitze der EBRD-Klientenländer. Mit der EBRD wäre ein "ehrlicher Makler" ohne Eigeninteressen am Werk - mit der Mission, funktionierende Wirtschaftsstrukturen zu entwickeln.

Noch mehr fragt man sich, warum Spindelegger, der selbst der österreichische Gouverneur der EBRD war und diese Institution also bestens kennen müsste, nicht in diese Richtung gedrängt hat, sondern mit Firtasch offenbar einen Sonderweg geht. Hier werden noch viele Erklärungen nötig sein.