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Was hat die Religion in der Ökonomie verloren?

Von Isolde Charim

Gastkommentare
Isolde Charim ist Philosophin und Publizistin und arbeitet als wissenschaftliche Kuratorin am Kreisky Forum in Wien.
© Daniel Novotny

Zum Phänomen Islamic Banking.


Diese Woche hat die Kuveyt Türk, die Tochter einer türkisch-kuwaitischen Bank, eine Lizenz für Deutschland erhalten: die erste islamische Vollbank in der Eurozone. Die "Wiener Zeitung" hat berichtet.

Erst in den 1970er Jahren entstand Islamic Banking - ein schariakonformes Bankwesen. Die Finanztransaktionen müssen dabei den Regeln des Korans folgen. Grundlegend ist dabei das Zinsverbot, ebenso wie das Investitionsverbot in unislamische Produkte wie Rüstung, Alkohol oder Glücksspiel. Eine weitere Bedingung ist die Forderung, jede Transaktion müsse auf einem realen Tausch von Gütern basieren. Bei jedem Tausch muss der Bezug zur Wirklichkeit klar sein. Dass gerade eine Religion einen Wirklichkeitsbezug einfordert, ist lustig. Handelt nicht Religion von dem, was die Wirklichkeit übersteigt? Aber auch wenn diese Forderung in Zeiten von Derivatenhandel und Spekulationsgier an Plausibilität gewinnt. Auch wenn Islamic Banking sich nicht nur als religiös korrekt, sondern als ein nachhaltiges und sozial verantwortliches Finanzmodell versteht. Die Frage bleibt: Was hat Religion - egal welche - in der Ökonomie verloren?

Wie jede Großreligion hält auch der Islam Regeln für das ganze Leben bereit. Nicht nur Regeln für die Religionsausübung im strengen Sinn, sondern auch Regeln für das Alltagsleben - Kleidungs-, Essens-, Sexualvorschriften. Jeder Bereich, der dergestalt reguliert wird, wird damit in die Religion eingeschrieben - also ihrer Zuständigkeit unterstellt. Nun also auch die Ökonomie.

Mit Beginn der Neuzeit wurde die Ökonomie zu einer Sphäre, die ein Emanzipationsversprechen in sich trug. Das, was uns heute zu schaffen macht, die Abstraktheit der Ökonomie, war einmal ein Fortschritt. Geld als abstraktes Tauschmittel war es ebenso wie die Abstraktheit des Menschen. Am Markt traten sich Individuen gegenüber, die unabhängig von ihrer Herkunft am Marktgeschehen teilnahmen. Und auch wenn ebendiese Marktverhältnisse zu Ausbeutungen und Unterdrückungen geführt haben, so ist es nicht unerheblich, sich an deren Fortschrittsmoment zu erinnern.

Was bedeutet es, wenn man nun auch in der Ökonomie Moslem sein soll? Es ist der Versuch, sich moderne Verhältnisse anzueignen, indem man sie in die Religion einschreibt. Das ist ein anderer Umgang mit der Moderne als der so genannte westliche Weg der Säkularisierung. Ein nicht-moderner Umgang mit Moderne. Es ist dabei ein Unterschied, ob migrantische Minderheiten in bedrängten Situationen ethnische Ökonomien ausbilden, oder ob finanzkräftige Staaten eine Islamisierung der Ökonomie betreiben.

Es ist keine Frage, dass die vorherrschende, de-regulierte Ökonomie einer Regulierung bedarf. Und es ist auch keine Frage, dass es einer Instanz bedarf, die diese durchführt. Ebenso klar ist, dass die dafür vorgesehene Instanz, die Politik, nicht wirklich erfolgreich dabei ist, die entfesselten Wirtschaftskräfte zu bändigen. Wie aber sieht es aus, wenn die Religion - egal welche - zu dieser Instanz wird?

Bezeichnend dafür ist nicht alleine die ethische Selbstverpflichtung, sondern sind auch die "Scharia-Aufsichtsräte" - renommierte Islamexperten, die jedes einzelne Angebot auf seine Korankompatibilität prüfen. Religiöse Rating-Agenturen als die neuen Herren der Märkte.