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Verfehlte Suche nach den Schuldigen

Von Heinz Kienzl

Gastkommentare
Heinz Kienzl war Generaldirektor der Oesterreichischen Nationalbank.

Österreich ist nicht verantwortlich für die Krisen in Nordafrika und im Nahen Osten. Der Wähler sieht das aber offenbar anders.


Für den Arabischen Frühling und die Bürgerkriege und Flüchtlingsströme, die er ausgelöst hat, sind weder Werner Faymann und erst recht nicht Franz Voves verantwortlich, aber wie die Analysen der steirischen Landtagswahl zeigen, ist der Wähler anderer Meinung.

Seit Mitte des vorigen Jahrhunderts schwimmt Österreich im Strom europäischer Entwicklungen. Durch den Marshall-Plan wurde der westeuropäische Markt für uns geöffnet, und Staatssekretär Ernst Eugen Weselsky konnte verkünden: "Österreich geht auf Überholspur!"

Nach der Auflösung des Ostblocks und dem Ende des Kalten Krieges öffnete sich für uns der Osten, einschließlich Russlands. Wir waren da auch Pioniere, Josef Staribacher schloss als Handelsminister den ersten Gaslieferungsvertrag mit der Sowjetunion.

Beide mächtigen Impulse sind ausgelaufen, die Halbleiter-begründete Kondratjew-Welle, von Mobiltelefonen bis Robotern, läuft auch aus. Es fehlen also Wachstumsimpulse, vor allem aber haben wir es mit Entwicklungen im Mittelmeerraum und im Nahen Osten zu tun, für die Österreich weiß Gott nicht verantwortlich ist. Es wurden üble totalitäre mörderische Regime gestürzt, an ihrer Stelle kam es zu Bürgerkriegen und Stellvertreterkriegen um die Vorherrschaft im Nahen Osten. Von Nordafrika kommen Flüchtlingswellen nach Europa, die die Europäische Union offensichtlich nicht bewältigen kann.

Die Österreicher sind verärgert, die Konjunktur stagniert, und miese Stimmungen, die Politiker, Medien und Weltverbesserer schüren, tragen das Ihre dazu bei. Witschaftskammerpräsident Christoph Leitl sagte ja: "Die Stimmung ist die halbe Konjunktur." Was macht also der österreichische Wähler? Er tut so, als ob er tatsächlich glauben könnte, dass die Regierungsparteien die üblen Entwicklungen abwehren könnten, und wählt die FPÖ, als ob die ein Rezept hätte, wie man die Ukraine-Krise beenden könnte.

Wir müssen uns freilich die bange Frage stellen, wie viel Zuwanderung die EU verkraften kann und wann der Punkt erreicht ist, an dem der Sozialstaat kippt und die demokratischen Strukturen brechen. Die jüngsten Wahlergebnisse, nicht nur in der Steiermark, sondern auch in Finnland, Dänemark oder Frankreich, sollten wir durchaus als Warnung wahrnehmen.

Also, was tun? Dass mit dem Streit um Flüchtlingsquoten, dem Kampf gegen Schlepperbanden und dem Versenken von Schiffen den Flüchtlingen nicht geholfen ist, liegt auf der Hand. Hunderttausende vegetieren in Lagern in Jordanien, der Türkei und Libyen. Mit einigen Milliarden für Lebensmittel, Wasser, Medikamente und Zelte könnte man ihnen das Leben erträglicher machen. Der Marschall-Plan hat seinerzeit den USA geholfen, den Übergang von der Kriegswirtschaft zu einer Friedenswirtschaft zu meistern. Die EU, aber auch die USA, die ja nicht ganz unschuldig an der Katastrophe in Syrien waren, könnten auch ein Wiederaufbauprogramm entwickeln, damit die Flüchtlinge in ihrer Heimat eine Zukunft haben. Für die EU hätte das auch einen Vorteil, denn bei aller Freude über das EU-Investitionsprogramm von 315 Milliarden Euro ist dieses vielleicht nicht ausreichend, um den notwendigen Konjunkturaufschwung zu starten.