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Deutschland als europäische Ausnahme

Von Florian Hartleb

Gastkommentare
Florian Hartleb ist ein deutscher Politikberater und Parteienforscher. Er ist Mitarbeiter der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft und lehrt auch an mehreren Universitäten.

Während rundherum rechtspopulistische Parteien Wahlerfolge feiern, zerlegen sich die deutschen rechten Parteien selbst.


Eigentlich waren die Aussichten der Afd (Alternative für Deutschland) glänzend: Sie wurde als Reaktion auf die Euro-Rettungspolitik gegründet. Die Ausrichtung der AfD schien vielversprechend: eurokritisch, wirtschaftsliberal und patriotisch, deutlich gemäßigter als etwa die FPÖ. Als Strippenzieher fungierte der Wirtschaftsprofessor Bernd Lucke, Wirtschaftseliten wie Hans-Olaf Henkel, Ex-Präsident des Bundesverbandes der deutschen Industrie, beteiligten sich neben einigen ehemaligen CDU-Politikern. Die AfD zog bereits in einige Landtage und fast in den Bundestag ein. Nun zerfleischt sie sich ohne Not selber. Der jüngste Parteitag gab ein desaströses Bild ab: Die Partei wählte nach heftigen Flügelkämpfen ihren Vorsitzenden Lucke ab, ergötzt sich an Richtungsstreitigkeiten und wird radikaler. Lucke trat umgehend aus und gründete die neue Partei Alfa (Allianz für Fortschritt und Aufbruch). Lucke bekämpft nun die Lucke-Partei mit einer Alternative zur Alternative, die nicht-populistisch sein soll. Das sind erneut keine gute Aussichten - für AfD und Alfa. Die etablierten Parteien erfreuen sich am bizarren Treiben.

Warum scheint sich in Deutschland keine neue Partei festzusetzen? Die rechtspopulistischen Herausforderer sind dort mit zwei Hemmnissen konfrontiert: Zum einen agieren sie in einem durch die NS-Vergangenheit höchst empfindlichen öffentlichen und medialen Umfeld, in dem sie leicht stigmatisiert werden können. Viele Medien haben starke Berührungsängste. Auch die AfD bekam ihre Probleme mit Rechtsaußen-Trittbrettfahrern immer weniger in den Griff, was die Glaubwürdigkeit nachhaltig schädigte. Eigentlich wollte sie ja eine liberale Partei sein.

Zum anderen haben rechtspopulistische Parteien gravierende organisatorische Probleme, die eine charismatische Führerfigur allenfalls kurzzeitig überwinden kann. Sobald das Projekt erfolgreich gestartet ist, sind Organisationsentwicklung und Strukturbildung im föderalen Deutschland schwierig. Schnell kommt es zu Grabenkämpfen in einzelnen Landesverbänden. Die Parteien haben viele Querulanten, Glücksritter und Vereinsmeier in ihren Reihen. Oft treten führende Gründungsmitglieder aus, wie jetzt in der AfD. Opportunisten verlassen ebenso schnell das sinkende Schiff.

In Deutschland mangelt es keineswegs an der Mobilisierbarkeit für typische rechtspopulistische Themen - von Einwanderungspolitik über Kriminalitätsbekämpfung bis EU. Gerade jetzt im Zuge der Flüchtlingsproblematik und umstrittenen Griechenland-Rettung sind die Gelegenheiten eigentlich besser als nie zuvor: Es rumort in der Bevölkerung. Viel ist von "Wutbürgern" die Rede. Luckes Einsatz war immens: Nach seiner Wahl zum EU-Abgeordnete musste er die AfD von Brüssel aus steuern. Mit professoraler Überheblichkeit und Besserwisserei hielt er sich lange für unantastbar und nahm die Zahl seiner TV-Auftritte als Maßstab für seine politische Bedeutung. Identität durch gemeinsame Wut und Enttäuschung oder Ablehnung mögen die Gründung einer Partei und deren Aufstieg beschleunigen. Dann folgt aber oft der Abstieg. Ist das Image erst einmal ruiniert, scheint ein Wiederaufbau kaum noch möglich. Der parteiförmige Rechtspopulismus hat in Deutschland wenig Chancen, auch durch eigenes Unvermögen.