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Die Zivilgesellschaft springt für den Staat ein

Von Martin Meyrath

Gastkommentare

Eine Welle der Hilfsbereitschaft rollt durch das Land: Der Wiener Sportklub sammelt vor dem Saisonauftakt gegen Parndorf für Flüchtlinge. In den Sozialen Netzwerken häufen sich Engagierte, die in ihrem Bekanntenkreis Diverses sammeln und in ihren privaten Pkw nach Traiskirchen bringen. Sein letztes Hemd muss dafür kaum jemand geben, denn die meisten von uns haben mehr als genug und helfen gerne in Anbetracht des unbedingten Bedarfes. Es fällt einem fast ein Stein vom Herzen, weil man etwas beitragen kann und die kollektive Aktion so einfach funktioniert, weitestgehend frei von Parteipolitik, ideologischen Fragen und Administration.

Dieses Engagement ist zweifellos gut - zu kritisieren ist jedoch, dass es überhaupt notwendig ist, denn die Zuständigkeit für Asylsuchende liegt weder bei Regionalligavereinen, noch ist sie in Online-Netzwerke eingewoben - sie ist eindeutig beim Staat. Asyl beziehungsweise ein Anrecht auf die Prüfung, ob ein ausreichender Asylgrund vorliegt, ist ein Menschenrecht, dessen Einhaltung die Republik Österreich zu garantieren hat. Das impliziert, dass die Asylsuchenden bis dahin menschenwürdig untergebracht und versorgt werden müssen, und wenn der Staat das nicht gewährleistet, bricht er geltendes Recht.

Die Mittel für die Unterbringung von Asylsuchenden sind bereits aufgebracht und müssen nicht erst im Ehrenamt gesammelt werden, denn BürgerInnen und Unternehmen sind in Österreich bekanntlich steuerpflichtig. Das Innenministerium bekommt einen Teil dieser Steuern, um eine professionelle Infrastruktur zu erhalten, in deren Aufgabenbereich unter anderem die Asylsuchenden fallen. Von einer Überforderung staatlicher Kapazitäten kann im Falle eines reichen Landes wie Österreich in Anbetracht der Anzahl der Neuankömmlinge nicht ernsthaft die Rede sein.

Zur Wahrung der Relation sei angemerkt: Der Libanon hat laut Amnesty International hochgerechnet auf die Bevölkerung 715 mal so viele syrische Flüchtlinge aufgenommen wie die EU.

Martin Meyrath,Politologe in Wien