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Mit gleicher Münze heimzahlen?

Von Isolde Charim

Gastkommentare
Isolde Charim ist Philosophin und Publizistin und arbeitet als wissenschaftliche Kuratorin am Kreisky Forum in Wien.
© Daniel Novotny

Über einen neuen Ton im Umgang mit Hasspostings.


Es ist ja keine Neuigkeit, dass hasserfüllte öffentliche Äußerungen in unvorstellbarem Ausmaß zugenommen haben. In Postings, Internetforen, Leserbriefen - unter Klarnamen werden da Dinge abgesondert, die dieselben Leute bis vor kurzem nur zu flüstern wagten. Die letzten drei neuralgischen Situationen - Ukraine, Griechenland und nun die Flüchtlinge - haben diese "Entwicklung" bis zur völligen Enthemmung beschleunigt. Drängend stellt sich also die Frage: Wie geht man damit um? Soll man darauf antworten? Und wie?

Früher hätte man gesagt: Man muss erklären. Argumentieren. Fakten vorbringen. Die Leute aufklären. Überzeugen. Aber wie kann man glauben, mit rationalen Argumenten gegen etwas so Irrationales anzukommen - gegen ein Irrationales, das seine Intensität und seine Triebkraft aus ganz anderen Quellen als jenen der Vernunft speist? In letzter Zeit gab es mehrere viel beachtete Versuche eines ganz anderen Umgangs: Gegenreden mit demselben Impetus. Gegenreden, die hetzerischen Hasstiraden mit gleicher Münze antworten.

Da gab es etwa Til Schweigers Ausbruch gegen jene, die ihn nach seinem Spendenaufruf für Flüchtlinge wüst beschimpften. Ihnen schleuderte er ein deftiges "Ihr seid zum Kotzen" entgegen.

Dieser Tage gab es dann noch das YouTube-Video der "Circus HalliGalli"-Moderatoren Joko und Klaas gegen die Hassposter auf ihrer Facebook-Seite. Ihre Botschaft war eine ungewöhnliche Mischung: kluge Einsichten ("Früher war man Punk, wenn man provozieren wollte, heute ist man Patriot") gespickt mit eindeutigem Vokabular. "Ihr Ich-bin-zwar-kein-Nazi-aber-Idioten", "ihr Intelligenzflüchtlinge" mit "eurem geistigen Dünnpfiff". "Ihr bleibt erbärmliche Trottel mit eurem Testosterongefasel und eurem Zwergenaufstand". Das Video verbreitete sich umgehend viral - kein Wunder bei ihrer Facebook- und Twitter-Reichweite.

Der therapeutische oder aufklärerische Umgang ist also nicht mehr. Stattdessen regiert das diskursive Talionsprinzip: Aug’ um Aug’, Schimpfwort um Schimpfwort. Es ist schwer abzusehen, ob dieses Vorgehen zielführender ist. Sascha Lobo meinte dazu auf "Spiegel online", es sei zwar durchaus nötig, den furchtbaren Hasspostings etwas entgegenzusetzen. Aber zielführend sei nur, den hasserfüllten Worten mit nicht hasserfüllten Worten zu begegnen.

Exemplarisch dafür war etwa der Auftritt der NDR Moderatorin Anja Reschke. Ihr Aufruf zum "Aufstand der Anständigen" mittels Mund aufmachen, Haltung zeigen erfüllt genau diese Anforderungen: Es ist der Versuch, den Hassreden durch eindeutige Haltung entgegenzutreten. Ob das zielführender ist, als die Emotionen mit einer ebensolchen Heftigkeit zu beantworten, bleibt offen. Es zeigt aber deutlich, wie diese Auseinandersetzung funktioniert. Während man beim therapeutisch-aufklärerischen Vorgehen eine paternalistische Haltung einnimmt und sich bei der Auge-in-Auge-Konfrontation direkt gegenübersteht, so gibt es beim Dagegenhalten überhaupt keinen Bezug mehr. Es ist keine Kommunikation, bei der noch etwas getauscht wird - etwa Argumente. Es ist vielmehr ein Clash, bei dem es darum geht, Mehrheiten zu bilden, sein Terrain zu markieren und die gesellschaftliche Trennlinie zwischen richtig und falsch zu ziehen. In aller Eindeutigkeit.