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Wie funktioniert Politik?

Von Isolde Charim

Gastkommentare
Isolde Charim ist Philosophin und Publizistin und arbeitet als wissenschaftliche Kuratorin am Kreisky Forum in Wien.
© Daniel Novotny

Freunderlwirtschaft links und rechts.


Ägina ist eine Insel vor Athen, wo einige Syriza-Leute ihre Ferienhäuser haben. Tsipras selbst, Yanis Varoufakis oder auch Aleko Flambouraris. Die "Ägina-Gang" nannte sie Markus Bernath kürzlich. Auf der Insel hätte die Gang nicht nur geurlaubt, sondern seit Jahren über den Kapitalismus und über dessen Transformation diskutiert. Varoufakis war bereits, Flambouraris wurde jetzt wieder als Minister angelobt. Diese Berufungen zeigen, so der "Standard", wie Syriza funktioniere: durch Freundschaften "über Jahre geschmiedet" in Sitzungen und Tavernen. Mythos und Funktionieren fallen bei so einem Zirkel wohl zusammen.

Gleichzeitig mit der Angelobung der Regierung Tsipras II machte in Großbritannien das Buch eines ehemaligen Politmäzens Furore. Lord Ashcroft eröffnet dem Publikum einen Blick auf das Vorleben des britischen Premiers David Cameron, bei dem jeder Voyeur auf seine Rechnung kommt.

Da werden Initiationsriten der britischen Very-Upper-Class-Jugend vorgeführt. Die Kopulation mit einem Schweinskopf vor Kollegen ist da nur die spektakuläre Spitze des Eisbergs. Viel relevanter aber ist, was auf diese Art in den Kaderschmieden der englischen Eliten eigentlich hergestellt wird: nämlich Seilschaften. Diese bilden und festigen sich nicht einfach durch gemeinsames Drücken von Universitätsbänken, sondern durch den gemeinsamen Exzess.

Das ist natürlich eine Binsenweisheit, die bereits bei Schülern funktioniert: Gemeinsamkeit entsteht durch das gemeinsame Überschreiten von Grenzen. Im Fall Cameron ist aber interessant, um welche Art von Exzess es sich handelte. Cameron sei in Oxford Mitglied des berüchtigten "Bullingdon Clubs" gewesen, dessen Ruf sich aus dem Verwüsten von Restaurants oder dem Verbrennen von Banknoten vor Obdachlosen speiste. Ein eigener Mythos. Auch wenn Cameron, sein Schatzkanzler George Osborne oder der Londoner Bürgermeister Boris Johnson solches heute bereuen. Auch wenn das Enthüllungsbuch die Retourkutsche eines verschmähten Mäzens ist - auch wenn man all das abrechnet, so bleibt doch eines: die Art der Sozialisation dieser Politiker.

Was diese Leute in ihrer Jugend "gelernt" haben, ist das Gefühl von Straffreiheit. Was sie sich gegenseitig bestätigten, war ihre Überlegenheit. Es ist dies eine Einübung in ungenierten Elitismus, eine Einübung in Herrschaftshandeln. Solche Erlebnisse führen nicht zwangsläufig zu einer Politik des Sozialabbaus oder der dichten Grenzen. Aber sie erleichtern die Sache ungemein.

Politik funktioniert scheint’s, ob links oder rechts, über Freunderlwirtschaft. Das ist die denunzierende, unfreundliche Formulierung. Freundlicher und wahrscheinlich realistischer könnte man das als Bildung eines politischen Milieus bezeichnen, das eben nicht jenseits von persönlichen Verhältnissen stattfindet.

Solche politische Milieus scheinen übrigens nach wie vor, auch das rechts wie links, vorwiegend Männerclubs zu sein (was im Fall der Schweinskopfpenetration nicht unbedingt ein Nachteil ist).

Interessant ist aber der Unterschied bei der Bildung solcher Seilschaften: Was den einen der gemeinsame Exzess, ist den anderen das nächtliche Gespräch. Bei aller Vergleichbarkeit doch ein markanter Unterschied. Ein Unterschied zwischen Links und Rechts. Immerhin.