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Ein bürgerliches Trauerspiel

Von Peter Diem

Gastkommentare
Peter Diem ist Jurist, Politologe und Publizist. Er war Leiter der Abteilung Medienforschung im ORF und führte danach die Online-Marktforschung bei GfK Austria ein. Er ist Mitherausgeber des digitalen Wissensnetzes "Austria-Forum" (austria-forum.org).

Der politische Streit um das geplante Haus der Geschichte Österreichs.


Zunächst die Fakten: Seit nunmehr eineinhalb Jahrzehnten enthielt jede Regierungserklärung ein Bekenntnis zur Schaffung eines "Hauses der Geschichte". Es gab viele fruchtlose Diskussionen über Standort und Funktion eines Neubaus. 2008 wurde eine teure Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben und nach Kenntnisnahme des Inhalts sofort unter Verschluss genommen. Bis Anfang 2015 Kulturminister Josef Ostermayer den gordischen Knoten zerschlug, die Studie veröffentlichte und gleichzeitig ein machbares Konzept vorlegte: nicht ein Jahrzehnt lang auf Planung, Finanzierung und Ausführung eines Neubaus zu warten, sondern für den Bund verfügbare Räume an einem historischen Ort zeitnah zu nutzen. Konkret, das Haus der Geschichte Österreichs als eine mit der Nationalbibliothek kooperierende wissenschaftliche Anstalt in der Neuen Burg zu installieren und in der Folge auch den Helden(park)platz neu zu gestalten.

Ein Ministerratsbeschluss (bekanntlich einstimmig!) brachte den Plan auf den Weg, und eine interministerielle Steuerungsgruppe wurde zur Gesamtkoordination eingesetzt. Noch im Oktober wird eine Novelle zum Bundesmuseengesetz die gesetzliche Grundlage für das Haus der Geschichte schaffen. Spät aber doch meldete sich auch der kleinere Koalitionspartner zu Wort, indem Staatssekretär Harald Mahrer vorschlug, auf dem Heldenplatz ein "Haus der Zukunft" zu errichten.

So skurril diese Idee klingt und ist, so hat sie doch auch etwas Gutes: nämlich darauf aufmerksam zu machen, dass die österreichische Eigenart, "vertrauensvoll in die Vergangenheit zu schauen", nicht den Blick auf die Gestaltung der Zukunft verstellen soll.

Mit der Vorbereitung des Projekts wurde der ehemalige Vorstand des Instituts für Zeitgeschichte (wer sonst?) beauftragt: Oliver Rathkolb, dessen einstündige Antrittsvorlesung zum Thema "Demokratie und Diktatur - Zeitgeschichtliche Reflexionen über zentrale Schlüsselbegriffe des 20. Jahrhunderts" man jederzeit im Internet nachhören kann.

Das war ein Fanal für alle bürgerlichen Besserwisser: einem prononcierten Sozialisten die Geschichte Österreichs anzuvertrauen! Da seien Gegenfragen gestattet: Wer wäre von einer ÖVP-geführten Regierung beauftragt worden? Wieso entwickelt sich die Zeitgeschichte seit Jahren immer mehr zu einer "linken" Domäne? Und wo sind fundierte Diskussionsbeiträge zum Haus der Geschichte aus dem konservativen Lager, die über billige Polemik hinausgehen?

Natürlich ist es notwendig, darauf zu achten, dass die neuere Geschichte Österreichs nicht einseitig interpretiert wird. Das gilt nicht nur für die stürmische Entwicklung Österreichs im 20. Jahrhundert, das betrifft auch die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts - etwa die Frage, ob die Donaumonarchie eine Entwicklungs- und Kulturmission erfüllte oder bloß ein "Völkerkerker" war.

Es muss möglich sein, gerade im Hinblick auf die ethnisch mittlerweile stark durchmischte Schuljugend einen instruktiven Ort der Erinnerung zu schaffen, der ohne falsche Kompromisse ein Geschichtsbild vermittelt, zu dem alle Österreicher ja sagen können. Als Grundlage für einen neuen, krampflosen, weltoffenen Patriotismus.