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Die SPÖ zur Mitmach-Partei machen

Von Miriam Leitner

Gastkommentare
Miriam Leitner ist Ärztin und Gründungsmitglied der Sektion Acht der SPÖ Wien-Alsergrund. In der vergangenen Legislaturperiode war sie als Bezirksrätin tätig.

Was die Sozialdemokratie am allermeisten braucht, sind Menschen, die sich mit ihr identifizieren und ihre Inhalte glaubhaft vertreten und verteidigen.


Die Zeiten, in denen die SPÖ Wahlen gewann und strahlende Sieger hervorbrachte, sind weit weg. Aber nicht nur bei Wahlen verliert sie, auch die Mitgliederzahl sinkt stetig. In der SPÖ herrscht offenbar Ratlosigkeit. Speziell bezüglich Stimmenverlusten gegenüber der FPÖ ist ein Gefühl der Machtlosigkeit entstanden. Doch gerade jetzt besteht die Chance, die Partei über Öffnung und Demokratisierung wieder zu einer Bewegung zu machen.

Aus der Ratlosigkeit entsteht eine gefährliche Dynamik, die Unkenrufe für Rot-Blau laut werden lässt. Unter der Hand hat man nicht nur aus dem Burgenland viel zu oft gehört, so könne es nicht weitergehen, man wolle sich nicht mehr erpressen lassen, man müsse eine Anti-Ausgrenzungspolitik verfolgen, um selbst nicht unterzugehen. Bestrebungen in Richtung Rot-Blau sind nur für jene interessant, die noch schnell holen wollen, was zu holen ist - bevor die SPÖ bei den nächsten Wahlen noch viel mehr verliert. Der Wunsch, sich mit der FPÖ zusammenzutun, ist Ausdruck einer sehr kurzfristigen Analyse.

Der Ruf nach Veränderung ist aber Überlebensnotwendigkeit. Vor allem, wenn man schmerzhaft einsehen muss, dass die Partei - obwohl Wien die lebenswerteste Stadt der Welt ist und dies erheblich der SPÖ zugerechnet werden kann - kleiner und die Mandate weniger werden; dass trotz Bemühungen der Funke nicht wirklich überspringt.

Wundersamerweise war es gerade dieser Wahlkampf, der die neuralgischen Punkte einer Veränderung aufgezeigt hat: So kam erst durch das Bekenntnis zum wichtigsten Grundwert der Sozialdemokratie - zur Solidarität - Dynamik in den anfangs eher verhaltenen Wahlkampf. Michael Häupl ist gegen die bundesweite Windrichtung in der Flüchtlingsfrage tätig geworden. Das hat seine Glaubwürdigkeit als Politiker und als Sozialdemokrat enorm gesteigert. Politische Handlungen, die aus Werten abgeleitet werden und gut erzählt werden können, machen Politik nachvollziehbar. Denn gerade das Nicht-nachvollziehen-Können verunsichert und sorgt für Misstrauen.

Die wesentlichste Stilfrage betrifft allerdings die Partei selbst: Die vielen freiwilligen Flüchtlingshelfer zeigen, dass es in Wien eine Masse gibt, die den wichtigsten sozialdemokratischen Grundwert der Solidarität nicht nur denkt, sondern auch lebt. Diese große de facto sozialdemokratische Bewegung hat mit der Sozialdemokratie in ihrer parteipolitischen Struktur aber nichts am Hut. Kein Wunder, wenn man sich die gegenwärtige Struktur der SPÖ ansieht. Wie können sie sich mit ihren Themen einbringen? Das gelingt erst, wenn sich die Partei öffnet und demokratisiert. Die SPÖ Wien muss sich klar werden, dass Parteidemokratie keine esoterische Forderung ist, sondern ihre Schlagkraft massiv steigern kann. Wer das nicht glauben mag, dem hilft ein Blick nach Großbritannien, wo die Dynamik um die Direktwahl des Labour-Parteichefs Jeremy Corbyn zeigt, wie eine Wahl innerhalb einer Partei ihre Glaubwürdigkeit und Legitimität erhöhen kann. Mehr als 180.000 Menschen traten im Zuge dieser Wahl neu in die Partei ein, damit verdoppelte sich die Mitgliederzahl binnen weniger Monate. Über die Teilhabe kommt die Aktivität, und der Aktivität folgt die Identifikation mit der Partei und ihren Werten.