Zum Hauptinhalt springen

Der Streit um die Asylpolitik

Von Isolde Charim

Gastkommentare
Isolde Charim ist Philosophin und Publizistin und arbeitet als wissenschaftliche Kuratorin am Kreisky Forum in Wien.
© Daniel Novotny

Deutsche Symbolpolitik.


Der österreichische Vizekanzler sagte kürzlich mit Bezug auf die Flüchtlingssituation: "Die Politik muss jetzt Handlungsfähigkeit signalisieren." Signalisieren muss sie sie, die Handlungsfähigkeit! Ich glaube nicht, dass ihm in dem Moment bewusst war, was er sagte.

Aber auch deutschen Politikern geht es nicht anders. Auch sie sind überrumpelt und ringen um die Souveränität über eine Situation, die ihnen seit Wochen entglitten ist. Der Streit um Transitzonen oder Einreisezentren war symptomatisch: War das wirklich eine Auseinandersetzung um den effizientesten pragmatischen Umgang mit der Situation - oder war es nicht vielmehr ein Kampf um das adäquateste, beruhigendste Wort?

An diesem Streit hat sich wieder gezeigt, dass Pragmatik nie rein pragmatisch ist: die Art, wie man Probleme löst, transportiert immer auch, welcher Idee von Ordnung man anhängt. Anders gesagt: Effizienz und Symbolpolitik sind nicht zu trennen. Schon gar nicht in so heiklen Momenten, wo das Ringen um die Beherrschung der Situation auch das Ringen um die eigene Souveränität ist. Insofern muss man angesichts der Querelen der deutschen Politik in den letzten Wochen eine andere Frage stellen. Wenn es darum ging, zu zeigen: Wir tun etwas, wenn es denn (auch) symbolische Politik war, dann ist die entscheidende Frage: Welches Symbol sollte da geschaffen werden? Um welche Symbole wurde gestritten?

Das SPD Konzept der "Einreisezentren" sah landesweite Registrierstellen für alle Flüchtlinge vor. Diese sollten das Desaster, das die derzeitige Situation für die Bürokratie darstellt, beheben. Und wie sollte die Hoheit der Bürokratie wiederherstellen werden? Indem die Flüchtlinge registriert, gekennzeichnet, geprüft und sortiert werden. Dies entspricht exakt der sozialdemokratischen Ordnungsvorstellung. Aber auch das paternalistische Wohlfahrtsprinzip kam nicht zu kurz: Die Flüchtlinge sollten dort, ohne Festsetzung, auch betreut und versorgt werden. Allerdings nur jene, die die Registrierung nicht verweigern.

Die Transitzone hingegen war die CDU-CSU Vorstellung von Flüchtlingslagern im Bereich der Grenzen für jene, die ohnehin keine Chance auf Asyl haben. Dort, im Transit, sollte es ein Asylverfahren nach Art der Schnellverfahren auf den Flughäfen geben. Herbert Prantl wies darauf hin, dass dem eine rechtliche Fiktion zugrunde lag: die "Noch-Nicht Einreise". Die Transitzonen sollten also nicht nur eine Art Haftanstalt an den Grenzen sein, wie die SPD Kritik lautete. Sie sollten dort auch eine Art Niemandsland kreieren, einen exterritorialen Bereich. Kurzum - einen Nicht-Ort für nicht erwünschte Personen. Kein Wunder, dass Mikl-Leitner von der Idee äußerst angetan war.

Was jetzt bei dem Streit herausgekommen ist, ist ein Kompromiss. Und egal wie man diesen bewertet - als Paket zur Steuerung der Flüchtlingsströme oder als Paket zur konsequenten, beschleunigten Abschiebung - ein Kompromiss sind sie, die Aufnahme-Zentren. Und ein Kompromiss ist genau das, was die Politik jetzt am dringendsten braucht - in einer Zeit, in der politische Veränderungen durch faktisches Geschehen, durch eine "Abstimmung der Füße" vorangetrieben werden. Die Politik hat damit ihre Handlungsfähigkeit signalisiert.