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Steuerersparnis statt Zukunftsinvestitionen?

Von Kurt Bayer

Gastkommentare
Kurt Bayer war Board Director in der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD).

Der letzte "Coup" war die Übernahme der irischen Pharmafirma Allergan durch den amerikanischen Pharmariesen Pfizer.


Nach Thomson-Reuters wird heuer der Rekord an Fusionsaktivitäten internationaler Unternehmen, der im Jahr 2007 aufgestellt wurde, mit mehr als 4,2 Billionen Dollar überboten werden. Der letzte "Coup" war die Übernahme der irischen Pharmafirma Allergan (Hersteller von Botox) durch den amerikanischen Pharmariesen Pfizer (Hersteller unter anderem von Viagra). Preis dieses "Deals", der weitgehend mit Aktientausch, aber auch ein wenig Cash durchgeführt wird: 160 Milliarden Dollar. Damit ist der weltgrößte Pharmakonzern entstanden.

Motivation für diesen Merger ist es nicht etwa, die vielgelobten "Synergien" zu heben und damit effizienter und dem Wohlergehen der (kranken) Kunden entsprechend forschen und produzieren zu können. Nein, dieser Deal erfolgt von Seiten Pfizers primär mit dem Ziel der Steuerersparnis. Nach Meldungen wird sich Pfizer dadurch in den nächsten zehn Jahren etwa 21 Milliarden Dollar an Steuern sparen. Pfizer folgt damit einer Reihe anderer amerikanischer Unternehmen, die sich zur Steuerersparnis ausländische, hauptsächlich irische Firmen zugelegt haben - und damit ihren Steuerwohnsitz ins Steuerparadies Irland verlegen, welches mit nominellem Körperschaftsteuersatz von 12,5 Prozent lockt.

Aus unerfindlichem Grund hat sich für solche, steuergetriebenen Deals der Name "Inversion" eingebürgert. Im gleichen Atemzug wie den Merger hat Pfizer angekündigt, das Forschungsbudget der gemeinsamen Firma in den nächsten Jahren um 660.000 Dollar zu kürzen. Pfizer hatte schon im Vorjahr versucht, den britischen Pharmariesen Astra-Zeneca zu kaufen, war jedoch auf den Widerstand der britischen Behörden gestoßen, die befürchteten, mit diesem Merger eines der wenigen britischen Industrieflaggschiffe zu verlieren.

Zunehmend wird die Weltwirtschaft von Steuerschonung, Steuervermeidung, euphemistisch "Steuereffizienz im Interesse der Anteilseigner" getrieben. Die Geschichte ist bekannt: Firmen nützen legale Unterschiede in der Steuergesetzgebung aus, gründen Firmenmäntel in Steueroasen, handeln spezielle Steuerregime bei grenzüberschreitenden Investitionen aus - und geben viel Geld für Steuerberater und Accountants aus, deren Aufgabe Steueroptimierung ist.

Daneben gibt es auch illegale Steuerverschiebungen, die durch Firmengeheimnis, Bankgeheimnis, das Fehlen nationaler vergleichbarer Unternehmensregister und anderes befördert werden. Natürlich sind dafür auch die Steuerbehörden aller Länder verantwortlich, da sie Harmonisierung der Steuergesetze ablehnen, einander Konkurrenz um die Ansiedlung von Investitionen machen - und "ihre" Firmen und Banken durch Bankgeheimnisse, Firmengeheimnisse, mangelhaften Informationsaustausch und Amtshilfe, etc. schützen.

Die schwachen Versuche von G20, Steueroasen auszutrocknen, bleiben weitgehend in der Luft hängen. Die Anstrengungen der OECD, die Verschiebung von Gewinnen in Niedrig- oder Nullsteuerländer einzudämmen, sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Die EU-Verfahren gegen große Firmen (Starbucks, Fiat, Apple) kratzen nur an der Oberfläche, da am grundlegenden Systemübel, der fragmentierten Steuergesetzgebung und dem Abwerben von Unternehmen, nicht gerüttelt wird. Die betroffenen Unternehmen machen ihren politischen Einfluss auf allen regionalen Ebenen geltend, damit weiterhin steueroptimiert werden kann.