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Europas Rechtspopulisten nützen den Dschihadisten

Von Clemens M. Hutter

Gastkommentare
Clemens M. Hutter war Chef des Auslandsressorts bei den "Salzburger Nachrichten".

Die vorgebliche "Rettung des Abendlandes" hilft weder muslimischen Flüchtlingen noch frustrierten und perspektivlosen Europäern.


Lenin wird der Begriff "nützliche Idioten" zugeschrieben, weil er den geldgierigen Kapitalisten unterstellte, dass sie "uns noch den Strick verkaufen, mit dem wir sie aufhängen". Vergleichbares praktizieren jene Rechtsausleger der Gesellschaft, die das "christliche Abendland" schon in der islamistischen Flut untergehen sehen. Das Musterbeispiel sind die Rechtspopulisten von Pegida (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes). Ihnen spielt die Massenflucht von Muslimen vor dem Terror des IS und ähnlicher Milizen in die Karten. Sie agitieren und hysterisieren nach bewährten Schablonen: Die natürliche Scheu der Menschen vor Fremdem, Unbekanntem oder Ungewohntem wird zu Vorurteilen verfestigt, die zur "Bedrohung" aufgeblasen werden, die Ängste auslöst und steigert. Daher müssten die Muslime ausgegrenzt und bekämpft werden.

Hier schimmert das Grundmuster nicht nur des Nazi-Rassismus durch: Die sind andersartig, also anderswertig und daher minderwertig. Nicht nur grenzt diese Strategie eine Parallelgesellschaft von Frustrierten und Perspektivlosen in Europa aus, sie hantiert auch mit haltlosen Pauschalurteilen und setzt die Muslime unter Generalverdacht. Typisch dafür ist die Behauptung, der IS lotse seine Terroristen als Trittbrettfahrer in Flüchtlingsströmen nach Europa, die Flüchtlinge würden Krankheiten einschleppen, die Mehrzahl der Flüchtlinge seien junge Männer, weshalb wir um unsere Frauen fürchten müssten. Die Flüchtlinge sind dem IS-Terror entronnen, sie taugen also nicht als "fünfte Kolonne" zur "Islamisierung des Abendlandes". Aber der radikale Islam fasziniert junge Europäer ohne Ausbildung, Arbeit, Chancen und glaubwürdiges Vorbild. Dieses liefert der "Dschihad" - der Kampf gegen jene "Ungläubigen" in der westlichen "Konsumkultur", denen man die Schuld an der Misere junger Menschen anlastet.

Mit Hass auf Muslime treiben die Rechtspopulisten somit in Europa dem IS Sympathisanten und Rekruten zu und munitionieren auch die IS-Propaganda an der "Heimatfront". Welche Probleme da heranreifen, zeigt sich in Saudi-Arabien. Das Rechtssystem ist vom sunnitisch-fundamentalistischen Wahabismus geprägt und übertüncht ein soziologisches Problem: Die Erdöl- und Erdgas-Region im Osten ist schiitisches Siedlungsgebiet und daher für iranische Unterwanderung anfällig. Das gut ausgebildete sunnitische "Bürgertum" ist von politischer Mitgestaltung ausgeschlossen und daher unzufrieden. Immerhin kam Osama bin Laden aus diesem Segment. Die Bildung arabischer Nationen erlitt in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts schwere Niederlagen (auch durch die korrupte Oberschicht), der "Arabische Frühling" endete im Frost. Also desertierte die Bevölkerung von politischen zu religiösen Führern. Das bedeutet noch lange keine Radikalisierung, schließt sie aber nicht aus. Hassprediger finden also Gehör mit ihrer begeisternden Botschaft: Wer im Kampf gegen die konsumsüchtigen Ungläubigen fällt, ist Märtyrer und wird im Paradies belohnt. Dass diese Erlösungsbotschaft bei Unterdrückten oder Ausgegrenzten ankommt, liegt auf der Hand. Und rechtspopulistische Widerständler gegen die "Islamisierung des Abendlandes" leisten dieser Einstellung Vorschub.