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Doch mehr Gemeinsamkeiten als nur Kängurus

Von Melanie Sully

Gastkommentare
Melanie Sully ist britische Politologin und Direktorin des in Wien ansässigen Instituts für Go-Governance. Sie war langjährige Professorin für Politikwissenschaft an der Diplomatischen Akademie und hat zuvor als Konsulentin für die OSZE und den Europarat in Straßburg gearbeitet. Sie ist Mitglied des Royal Institute of International Affairs in London.

Was Österreichs Politik von Australien und Großbritannien lernen könnte.


Was prägte die Politik des vergangenen Jahres: muntere Parteiwechsel von Politikern in der Hoffnung auf persönliche Vorteile, damit einhergehend geringes Vertrauen der Bevölkerung in die Politik sowie Kritik an deren fehlender Führungsqualität und immer weniger Bereitschaft der Bürger, sich politisch zu engagieren. Dazu "Männerbündelei" bei diversen Regierungsbildungen, reformbedürftiger Föderalismus und über all dem die generelle Meinung, Parlamentariern ginge es nur um eigene Vorteile und sie hätten wenig Ahnung von den Problemen der "Welt da draußen". Der Katalog politischer Sünden ließe sich weiter füllen: führende Politiker, die beim Autofahren SMS am Handy tippen, Ungereimtheiten in Parteikassen, Vorwürfe allgemeiner Inkompetenz der Regierung.

Wer meint, so etwas könne es "nur bei uns in Österreich" geben, irrt: Die Beispiele kommen aus Australien, wo Experten die Demokratie vor der allgemein grassierenden Politikverdrossenheit zu retten versuchen. Man sucht das Heil in verstärkter direkter Demokratie, weniger Fraktionszwang und Reformen von Wahlsystem und Oberhaus.

Während in Europa allgemein wenig Kenntnis von der Politik "down under" herrscht, wird in Australien über das europäische Geschehen, vor allem in den englischsprachigen Ländern, berichtet. Jüngst schwärmte gar eine TV-Kommentatorin von der Rede des oppositionellen britischen Abgeordneten Hilary Benn über verstärktes Militär-Engagement in Syrien, die sie "einfach faszinierend und ein Highlight des Parlamentarismus" nannte.

In Österreich hingegen geht der Blick über den Tellerrand auf der Suche nach Inspirationen bestenfalls bis Deutschland oder in die Schweiz. Und dass ein Abgeordneter in einer Nationalratsdebatte rein aufgrund seiner Eloquenz weltweite Bewunderung erregen könnte, ist nur schwer vorstellbar. Vermutlich spielt das Wahlsystem eine Rolle, bei dem Kandidaten auf Parteilisten - abgesehen von den Spitzenkandidaten - nie eine Rede halten müssen, um gewählt zu werden. In Großbritannien hingegen kommen Kandidaten nicht umhin, sich in ihren Wahlkreisen den Wählern zu präsentieren. Somit entwickeln sie zumindest gewisse rhetorische Fähigkeiten.

Europa ist lediglich eine kleine Region auf dem Globus und reagiert meist auf Entwicklungen (wie etwa die jüngste Flüchtlingskrise) erst dann, wenn diese an der Türschwelle des Kontinents stehen, statt eine stärker vorausschauende Politik zu betreiben. Vor zehn Jahren entfachte ein Angriff auf libanesische Jugendliche an einem Strand nahe Sydney eine Debatte über Integration und die Rolle des Islam in Australien. Die daraus gezogenen Schlüsse wären auch für Europa von Bedeutung.

Krisen kommen und gehen schnell, wie der 2008 geführte kurze Krieg zwischen Russland und Georgien zeigte. Krisenprävention verlangt jedoch durchgehendes Interesse und Anstrengungen. Trotz angeblicher Selbstisolation zeigt die allgemeine mediale Berichterstattung, dass etwa Großbritannien stärker international orientiert ist als manch anderer EU-Staat. Die politischen Probleme der Welt beschränken sich nicht nur auf Österreich oder die EU, sondern reichen weit über Grenzen hinaus. Erfolgsmodelle, herausgearbeitet in internationalen Vergleichsstudien, können dabei eine wertvolle Ausgangsbasis für Reformprozesse sein.