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Saudi-Arabiens erbitterter Glaubenskrieg

Von Stefan Haderer

Gastkommentare
Stefan Haderer ist Kulturanthropologe und Politikwissenschafter.
© privat

Wie ein Staat dank seines Ölreichtums unheimlich viel Macht ausübt und dadurch den Weltfrieden gefährdet.


Es gibt Allianzen in den internationalen Beziehungen, die mehr oder weniger nachvollziehbar sind. Feindschaften liegen meist ökonomische oder religiöse Motive zu Grunde. Ein Paradebeispiel für einen Staat, der dank seines Ölreichtums unheimlich viel Macht ausübt und dadurch den Weltfrieden gefährdet, ist Saudi-Arabien. Seit der Entdeckung des Schwarzen Goldes Ende der 1930er Jahre hält das dortige Herrscherhaus Saud den Westen und einige arabische Länder fest an den Zügeln.

Der Atomdeal, der das Verhältnis zwischen den USA und dem Iran inzwischen entspannt hat, erzürnt nun die saudische Monarchie, die sich mit der Hinrichtung eines schiitischen Geistlichen vor einigen Tagen am Iran rächen wollte.

Im Wüstenstaat am Arabischen Golf weht seit dem Regierungswechsel vor einem Jahr ein kühlerer Wind. Bisher agierten Mitglieder der Familie Saud nämlich eher im Hintergrund und erkauften sich mittels fragwürdiger Abkommen die Sympathien ihrer Verbündeten: von König Mohammed VI. von Marokko über alle US-Präsidenten seit Franklin D. Roosevelt bis hin zum israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu und zum türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Sie alle gehen vor den saudischen Machthabern in die Knie und blicken über andauernde Menschenrechtsverletzungen ohne Gewissensbisse hinweg.

Mit der Ernennung von Salman bin Abdulaziz zum König und Hüter der heiligen Stätten Mekka und Medina hat sich der außenpolitische Kurs Saudi-Arabiens noch weiter radikalisiert. Seit März 2015 werden militärische Angriffe gegen das verarmte Nachbarland Jemen geflogen, während die Unterdrückung von religiösen Minderheiten und Kritikern des Herrscherhauses im eigenen Land zunimmt.

Die internationale Gemeinschaft empört sich zwar über die zunehmenden Aggressionen des Golfstaates, schreckt allerdings vor der Anwendung diplomatischer Sanktionen zurück. Stattdessen exportiert Saudi-Arabien weiter - und zwar nicht nur Erdöl. Neben der Verbreitung von Waffen, die unter anderem aus den USA, Frankreich und Deutschland stammen, ist es vor allem wahhabitisch-fundamentales Gedankengut, durch das muslimische Jugendliche in Nordafrika, im Kaukasus, am Balkan und in der EU radikalisiert werden sollen. Von einer Liberalisierung, wie man sie sich unter dem früheren Regenten Abdullah im Westen erhofft hatte und die man in US-Denkfabriken unermüdlich bewarb, kann keine Rede sein.

Auch Dialogbereitschaft sieht anders aus. Unter großer medialer Aufmerksamkeit wurde im Jahr 2011 das "König-Abdullah-Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog" (Kaiciid) in Wien eröffnet. Toleranz und gegenseitiger Respekt zählen zu den Leitmotiven des Zentrums, dessen Mitglieder jedoch kaum Einfluss auf Regierungen ausüben, schon gar nicht auf das Haus Saud, das sich als unantastbar definiert.

Die westliche Kampfparole von Freiheit und Gerechtigkeit hat es geschafft, Regierungen in Nordafrika und in der Ukraine zu stürzen. So rasch wird das in Saudi-Arabien, das manche Politiker als "Garant für Stabilität" bezeichnen, wohl nicht gehen.