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Die Schlacht um Primary Health Care

Von Ernest G. Pichlbauer

Gastkommentare
Dr. Ernest G. Pichlbauer ist unabhängiger Gesundheitsökonom und Publizist.

Um Primary Health Care einzuführen, müssten Ärztekammern, Länder und Krankenkassen eine gemeinsame Idee haben.


Primary Health Care (PHC) ist keine österreichische und auch keine neue Idee. 1920 wurde bereits festgehalten, dass eine sinnvolle und gerechte Gesundheitsversorgung nur funktioniert, wenn möglichst viele gesundheitlichen Probleme (das ist mehr als Krankenbehandlung) möglichst dezentral gelöst werden. Die abgestufte Versorgung war geboren und damit die Primärversorgung als Stufe eins vor Sekundär- (ambulant tätige Fachärzte) und Tertiärversorgung (Spitäler). Und um möglichst viele gesundheitlichen Probleme zu lösen, versteht die Welt unter PHC die koordinierte und strukturierte Primärversorgung mit Leistungen der Prävention, Behandlung und Pflege - also mehr als Ärzte alleine leisten können und die derzeitige Gesetzeslage erlaubt. Doch vor allem die Ärztekammer will an dieser Lage nichts ändern, wie die letzten Entwicklungen zeigen.

23. Februar: Die Kurie der niedergelassenen Ärzte, Machthaberin innerhalb der Ärztekammer in allem, was Kassenärzte betrifft, stellt ihre "Primärversorgung 2020" vor. Ob es tatsächlich ein Konzept ist oder nur Presseunterlagen existieren, ist unklar. Was vorgestellt wurde, ist eine Art "Kassen-Hausärztliche Krankenbehandlungsorganisations-Phantasie", weit weg von dem, was die Welt außerhalb der Ärztekammer als PHC versteht - aber eben das, was möglich wäre, ohne eigenes PHC-Gesetz.

2. März: In Wien soll nach mehr als einem Jahr politischen Hickhacks ein zweites PHC-Zentrum, das "PHC SMZ-Ost", kommen. Ein Fortschritt, meint man, wenn da nicht mit der Jubelmeldung auch mitgeteilt worden wäre, dass das erste PHC-Zentrum "Maria Hilf" angeblich 0,83 Prozent der Wiener versorgt, man also dem Gesundheitsreformziel "ein Prozent der Bevölkerung in PHCs zu behandeln" nahe ist. 0,83 Prozent sind 14.500 Menschen. Im ärztekämmerlich geduldeten "Maria Hilf" arbeiten drei Hausärzte, macht pro Arzt 4800 Einwohner. Wenn dort PHC passiert, dann mit weltweit einzigartiger Effizienz; international schaffen ein Arzt und sein Team (das größer ist als das in Maria Hilf) gerade 1500 bis 1800 Einwohner. Geht es wirklich um PHC oder nur darum, ein Scheitern der Reform zu verbergen?

8. März: Überraschend wird gemeinsam von Ärztekammer, Wiener Gebietskrankenkasse und Stadt das "Wiener Modell" präsentiert. Ein gewaltiger Sprung, möchte man meinen. Die "Drei" wollten ganz ohne ominöses PHC-Gesetz zeigen, dass man kann, wenn man will. In Hinblick auf das kommende wohl nur ein politischer Schachzug, denn:

13. März (ein Sonntag): Die Kurie der niedergelassenen Ärzte hat den für alle anderen streng geheimen Entwurf zum PHC-Gesetz öffentlich kommentiert, mit brachialen Worten: Das Ende der Hausärzte sei eingeläutet, mit Dumping-Preisen, Dumping-Gehältern und letztlich der systematischen Übernahme des Gesundheitsmarktes durch internationale Konzerne und Bauunternehmen sei zu rechnen. Alles in allem eine "Zumutung der Ministerin hinsichtlich einer bestmöglichen Patientenbetreuung". Ist das wirklich so? Oder geht es nur um Macht und persönliche Eitelkeiten? Jedenfalls ist die Diskussion weiter inferior - und echtes PHC sehr weit weg.