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Was kostet die Aufgabe von Schengen?

Von Peter Rosner

Gastkommentare
Peter Rosner ist Dozent am Institut für Volkswirtschaftslehre der Universität Wien.

Die Rückkehr der Grenzkontrollen hätte weitreichende wirtschaftliche Auswirkungen.


Die Wiedereinführung von Grenzkontrollen innerhalb der Schengen-Staaten erschwert den Transport von Personen und Gütern zwischen diesen Ländern. Das sind Kosten, ähnlich anfallenden Visagebühren oder einem Zoll. Manche Berechnungen ergeben hohe Kosten. Viel beachtet wurde eine vor kurzem veröffentlichte Studie des österreichischen Ökonomen Gabriel Felbermayr, laut der diese Kosten niedrig sind. Für Österreich werden sie mit höchstens 120 Euro pro Person und Jahr angegeben. Das wäre zwar unangenehm, aber sicher nicht tragisch.

Dieses Ergebnis beruht auf folgender Überlegung: Der Wegfall der Grenzkontrollen hat zum Anwachsen des Handels innerhalb der Schengen-Staaten beigetragen. Die Größe dieses Effekts kann man aus den Daten der Vergangenheit bestimmen. Die Rückkehr der Grenzkontrollen wäre der gleiche Weg, eben in die andere Richtung gegangen. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer an einer Kontrollstelle steigt um etwa 20 Minuten. Diese Annahme entspricht der Wiedereinführung von Grenzkontrollen an der Grenze zwischen den USA und Kanada.

Der Autor hat sicher gut gearbeitet. Dennoch ist das Ergebnis nicht überzeugend, und das hat mehrere Gründe.

Erstens: Die Abschaffung der Grenzkontrollen hat die Strukturen der Produktion und des Handels verändert. Eine Wiedereinführung wäre nicht nur ein kleiner Schritt rückwärts.

Zweitens: Es wird vor allem der Güterverkehr beachtet, der Tourismus nur erwähnt. Nicht beachtet wird, dass die Integration von in mehreren Staaten liegenden Regionen schwer behindert wird. Das betrifft vor allem die kleineren Staaten, also auch Österreich. Für sie ist diese Integration von großer wirtschaftlicher Bedeutung.

Drittens: Die Wiedereinführung der Grenzkontrollen verlangt eine starke Ausweitung des dafür notwendigen Personals. Da die öffentlichen Budgets nicht einfach ausgeweitet werden können, muss in anderen Bereichen die Beschäftigung reduziert werden. Erziehung, Gesundheit, Pflege bieten sich an.

Viertens: Die Berechnungen beruhen darauf, dass die Kontrollen nach der Wiedereinführung ähnlich gut funktionieren wie vor deren Abschaffung. Das ist eine starke Annahme, da Lkw auf versteckten Personentransport kontrolliert werden müssen.

Felbermayrs Studie ist sicher ein Ausgangspunkt für die Diskussion, aber sie gibt nur eine untere Grenze für die Kosten eines Verlustes der Schengen-Regulierungen an.

Vielleicht ist er ein Skeptiker gegenüber den Vorteilen des Freihandels? Wer sich dabei Unterstützung von ihm erwartet, wird enttäuscht. Er hat eine Forschungsgruppe über die Vorteile des geplanten Freihandelsabkommens TTIP mit den USA geleitet. Keine andere Studie zu diesem Thema behauptet derartig große Vorteile dieses Abkommens wie die unter ihm erstellte.

Natürlich unterscheiden sich die beiden Fragestellungen erheblich. Aber es mutet schon merkwürdig an, dass eine Erhöhung der Transportkosten innerhalb Europas durch Grenzkontrollen so geringe Auswirkungen haben soll, die Senkung der Kosten des Handels zwischen Europa und der USA hingegen große.