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Die britische Monarchie - ein Staatsoberhaupt ohne Wahl

Von Melanie Sully

Gastkommentare

Es ist ganz und gar nicht ihr Ding: dieses ermüdende Sammeln tausender Unterschriften, Plakate auf den Straßen, Fernsehdebatten und das Ringen um Wählerstimmen. Monarchen können sich entspannt und sicher im Glauben auf ihrem Thron zurücklehnen, dass göttliches Recht über solchen weltlichen Aufgaben steht.

Queen Elizabeth II. feiert am 21. April ihren 90. Geburtstag. Im Gegensatz zu den Royals in den Niederlanden, Spanien oder Belgien hat sie bisher nicht gewagt, das Zepter an ein jüngeres Familienmitglied weiterzureichen. Die Narben der Abdankungskrise in den 1930ern haben unauslöschliche Spuren hinterlassen. Die Abdankung von Edward VIII. aufgrund der geplanten Heirat mit einer geschiedenen US-Bürgerlichen war damals ein Skandal und löste eine Verfassungskrise aus. Familien und Freunde wurden jahrzehntelang auseinandergerissen in einem Streit für oder gegen seine Majestät.

Trotz ihres hohen Alters hat die Königin den Thron nicht aufgegeben, aber in den vergangenen Jahren eher die Strategie ergriffen, Aufgaben zu delegieren. Jüngere Familienmitglieder haben Langstreckenflüge, Staatsbesuche und andere Verpflichtungen übernommen. Die wichtigsten Staatsangelegenheiten aber nimmt sie nach wie vor selbst wahr, und ihr Wissen und ihre Erfahrung werden von vielen Politikern geschätzt. Durch ihr unbeirrbares Pflichtbewusstsein gegenüber ihrem Land konnte sie sich selbst bei Monarchieskeptikern Respekt verschaffen. Selbst Labour-Chef Jeremy Corbyn, ein Gegner der Monarchie, sagt, dass deren Abschaffung derzeit einfach nicht auf der Tagesordnung stehe.

Der Monarch stirbt nie

Obwohl sich die Queen bester Gesundheit erfreut, gab und gibt es Nachfolgespekulationen. Der britische Monarch als Institution stirbt jedoch nie und geht automatisch auf den Thronfolger über. Als ihr Vater George VI. starb, war Elizabeth als Prinzessin in Kenia. Sie kehrte sofort zurück nach London als die neue Königin. Die Krönung kann Monate, sogar Jahre später stattfinden. Dann könnte man diesmal, so meinen einige Modernisten, einen Generationssprung überlegen.

In der Umwandlung des Empire fungierte der Monarch als Symbol der Integration. Aber eine Eigenheit des Übergangs war es, den Commonwealth-Ländern ein stärkeres Mitspracherecht in Bezug auf das Staatsoberhaupt einzuräumen, als es das Londoner Parlament selbst hat. Während die Commonwealth-Länder sich dazu entscheiden könnten, eine Republik zu haben, erfordern Änderungen an der von London gewünschten Nachfolgeregelung das Einverständnis von 15 Commonwealth-Ländern, darunter etwa Kanada und Australien, aber auch Tuvalu und Papua-Neuguinea. Ein Statut aus dem Jahr 1931 besagt, dass jede Abänderung, welche die Reihenfolge der Thronfolge betrifft, einer Zustimmung der Parlamente gewisser Commonwealth-
Mitglieder und zusätzlich jener des Parlaments des Vereinigten Königreichs bedarf.

Die Auslegung dieser Verfassungskonvention ist unklar, aber kürzlich wurden Änderungen vorgenommen, wonach eine Tochter von Prinz William und Kate vor einem jüngeren Bruder auf den Thron folgen könnte (Ende des Erstgeburtsrechts nur für männliche Thronfolger), und die Commonwealth-Ländern wurden dabei eingebunden.

Das rechtliche Verfahren für diese Reform war in einigen Staaten wie Kanada und Australien lang und kompliziert. Letzten Endes wurde eine große Debatte über die Rolle der Monarchie in einer modernen Demokratie per se vermieden. Eine weitere Änderung so bald könnte jedoch eine ganz andere Angelegenheit sein. In Australien gibt es bereits starke republikanische Stimmen, und erst vor kurzem haben führende Politiker ein Dokument unterzeichnet, das nach einer Republik verlangte. Auch der derzeitige Premierminister Australiens war eine bedeutende Persönlichkeit in der republikanischen Bewegung. Viele Australier kritisieren auch die Besuche jüngerer Angehöriger der königlichen Familie anlässlich der Eröffnung ihrer nationalen Zeremonien als PR-Stunts für die britische Monarchie.

Trotzdem lehnten im Jahr 1999 die Australier in einer Volksabstimmung die Abschaffung der Queen als Staatsoberhaupt aus Mangel an Alternativen ab. Alles deutet darauf hin, dass diese Verwirrung, wie die alternative Lösung aussehen sollte, immer noch ein Hindernis darstellen würde.

Inzwischen diskutieren Barbados und andere Karibikstaaten über künftige Schritte in Richtung einer Republik und sehen wenig Sinn in einer britischen Monarchin als Staatsoberhaupt.

Überlebenskünstler

Das Geheimnis des bisherigen Überlebens der britischen Monarchie liegt, abgesehen vom Mangel an Alternativen, in der Fähigkeit zur Anpassung, um ein nachhaltiges Fortbestehen zu gewährleisten. Einen wahrhaft gefährlichen Moment gab es nach dem Tod von Prinzessin Diana, als die Queen sich nur vor ihren Untertanen verbeugte und erst danach die Flagge am Buckingham Palace auf Halbmast hisste - und somit das königliche Protokoll im letzten Moment umging.

Die britische Monarchie verzichtet bisher, im Gegensatz zu den skandinavischen Monarchien, darauf, zum Beispiel auf Radfahrten durch die Hauptstadt, um modern zu wirken. Es gab zwar eine Reform in der Geschlechterfrage der Thronnachfolge, aber für einen Katholiken ist es nach wie vor nicht möglich, König oder Königin zu werden. Denn der britische Monarch ist der oberste Gouverneur der Anglikanischen Kirche und leistet einen Eid zur Wahrung der protestantischen Religion. Dies wird von vielen als verstärkt archaisch in einem multikonfessionellen Land erachtet. Dabei steigt die Anzahl derer, die sich einer Religion nicht zugehörig empfinden, und die Anzahl der Christen nimmt ab.

Symbolfigur

Gegenwärtig ist es durch die Gesetze über eine gleichgeschlechtliche Eheschließung denkbar, dass ein zukünftiger Monarch schwul oder lesbisch sein könnte. Allerdings muss der Thronfolger nach wie vor sicherstellen, dass die Einwilligung des amtierenden Monarchen zur Eheschließung vorliegt. Adoptierte Kinder haben keinen Anspruch auf den Thron.

Zum größten Teil ist die britsche Monarchie eine Galionsfigur. Die Regierungsbildung wird von Parlamentariern abgewickelt mit Unterstützung leitender Beamten. Die Königin wird auf dem Laufenden gehalten, kann aber den Ausgang der Verhandlungen nicht beeinflussen und empfängt in dieser Phase keine Politiker im Buckingham Palace. Unter der konservativ-liberalen Koalition wurde im Jahr 2011 ein Gesetz beschlossen, das die Legislaturperiode auf fünf Jahre fixiert. Die Rolle des Monarchen bei der Auflösung des Parlaments wurde damit maßgeblich beschnitten.

Die Bedeutung von Symbolismus sollte jedoch nicht unterschätzt werden. Im Jahr 2011 besuchte die Queen die Republik Irland, um ein neues Kapitel in den Beziehungen zwischen Dublin und London aufzuschlagen. Die Bitterkeit aufgrund vergangener Gräueltaten und die Erinnerungen daran haben bleibende offene Wunden hinterlassen. Ihr Besuch war symbolisch für eine neue Stimmung von Frieden und Verständigung. Auf diesen Besuch folgte ein paar Jahre später der erste Staatsbesuch des irischen Präsidenten in London. Michael Higgins, ein ehemaliger Labour-Politiker, hielt eine Rede im Parlament in London und verdeutlichte die Bedeutung des Irland-Besuchs der Queen als wichtigen Schritt im Versöhnungsprozess.

Insgesamt ist es der britischen Monarchie gelungen, sich aus politischen Streitigkeiten herauszuhalten. Vor dem Referendum über die schottische Unabhängigkeit schien die Queen jedoch den Schotten von einer Loslösung abzuraten. Erst kürzlich behauptete eine Boulevardzeitung, die Queen sei für den "Brexit" (den Austritt Großbritanniens aus der EU), was jedoch vom Palast heftig dementiert wurde. Die Tatsache, dass die Zeitung nicht von ihrer Meinung abrückte, ist ein neues Anzeichen dafür, dass der Institution der Monarchie nicht immer dieselbe Art von Respekt wie in der Vergangenheit entgegengebracht wird.

Dieu et mon Droit

"Gott und mein Recht" lautet das Motto der britischen königlichen Familie. Aber die Rechtslage in einem Staat ohne kodifizierte Verfassung ist anders zu verstehen als auf dem europäischen Festland. In einer Zeit, in der Großbritanniens Stellung in Europa ungewiss ist und das Land Schwierigkeiten damit hat, seine eigenen verschiedenen Regionen zusammenzuhalten, verlangen viele eine kodifizierte Verfassung zur Klärung von Normen und Konventionen. Die Rolle der Queen als ungewähltes Staatsoberhaupt in diesem Szenario ist bis dato unklar. Gegenwärtig haben jedoch weder das Volk noch die Monarchin eine Wahl.

Melanie Sully ist gebürtige Engländerin und leitet das in Wien ansässige Institut für Go-Governance.