Zum Hauptinhalt springen

Obergrenzen für Reichtum

Von Hans Holzinger

Gastkommentare
Hans Holzinger ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Robert-Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen in Salzburg. Ein Arbeitsschwerpunkt sind neue Wohlstandsmodelle (www.hans-holzinger.org, www.jungk-bibliothek.at).

Die Alternative zu dichten Grenzen gegen Flüchtlinge wäre ein offensiver Ausbau des Sozialstaats.


Der Aufbau sozialer Marktwirtschaften nach 1945 war zweifellos ein Erfolg. Was als Wirtschaftswunder in die Lehrbücher eingegangen ist, bedeutete nicht nur einen kontinuierlichen Anstieg des Privatkonsums, sondern ermöglichte auch die Etablierung sozialer Sicherungssysteme, die Ausweitung der Bildungsangebote, kostenlose Gesundheitsversorgung sowie die Stabilisierung der Demokratie. Doch seit den 1970ern mehren sich die Krisen. Die ökologischen Folgen des Konsumwachstums lassen sich nicht weiter verdrängen; der Konkurrenzdruck in Unternehmen und auf Arbeitsmärkten nimmt zu, der gesellschaftliche Konsens über die Notwendigkeit von sozialem Ausgleich ab.

Die sogenannte Flüchtlingskrise stellt unsere Wohlfahrtssysteme nun vor eine Zerreißprobe. Der politische Ton der Auseinandersetzungen wird rauer, rechtspopulistische Bewegungen erhalten starken Zulauf, die Willkommenskultur wird von einer Abschreckungskultur abgelöst. "Österreich darf nicht zum globalen Sozialamt werden" - dieser Satz aus einem Leserbrief bringt die Stimmung wohl auf den Punkt.

Der Unmut gegen Flüchtlinge wird häufig von jenen geschürt, die selbst gut situiert sind und nichts zu verlieren haben. Der Zulauf zu den Rechtspopulisten ist - dies haben die vergangenen Gemeinderatswahlen in Oberösterreich gezeigt - dort am stärksten, wo es keine Flüchtlingsquartiere gibt.

Und dennoch sind die Ängste, auch wenn es nur gefühlte Ängste sind, ernstzunehmen. Es geht um die Frage, wie ein robuster Sozialstaat aussehen muss, der Herausforderungen wie die aktuellen Flüchtlingsbewegungen unter Einhaltung menschenrechtlicher Verpflichtungen bewältigen kann. Die populistische Antwort lautet: "Die Grenzen dicht. Keine weitere Belastung unserer Sozialsysteme." Die Alternative wären ein offensiver Ausbau des Sozialstaats und die politische Bereitschaft einer breiten Mehrheit, diesen auf neue finanzielle Beine zu stellen. Eine Aufgabe, die aufgrund eines sinkenden Erwerbsarbeitsvolumens im digitalen Zeitalter ohnedies ansteht.

Pointiert ausgedrückt: Wir brauchen Obergrenzen für privaten Reichtum statt für Flüchtlinge. Karitatives und zivilgesellschaftliches Engagement sind wertvoll - beides wird jedoch nicht genügen. Kollektives Teilen erfordert gesellschaftliche Vereinbarungen über faire Einkommens- und Vermögensverhältnisse. Integration kann nur dann gelingen, wenn alle Chancen zur Teilhabe am Arbeitsmarkt erhalten, was auch eine Neuverteilung der Erwerbsarbeit erfordern wird.

Österreich zählt zu den reichsten Ländern der Erde. Eine Debatte über "Fairteilung" würde daher auch mehr Gelassenheit ermöglichen. Führen wir diese Debatte nicht, steht unsere Gesellschaft auch ohne Flüchtlinge vor einer Spaltung in Verlierer und Gewinner.

Kollektives Teilen wird die Zukunftsübung für Wohlstandsdemokratien sein - auf nationaler wie auf internationaler Ebene. Denn die Flüchtlinge erinnern uns auch daran, wie ungerecht die Welt ist. Wir brauchen eine Ökonomie für die Hungernden, nicht eine für die ohnedies bereits Satten. Eine spannende Aufgabe für die Wirtschaftswissenschaften wie für die Politik.