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Kurz nachdenken - und dann handeln

Von Erhard Busek

Gastkommentare
Erhard Busek war von 1991 bis 1995 Vizekanzler der ÖVP unter Kanzler Franz Vranitzky. Er ist Vorstandsvorsitzender des Instituts für den Donauraum und Mitteleuropa, Ehrenpräsident des Europäischen Forums Alpbach und Kuratoriumsmitglied der Initiative A Soul for Europe.

Die Bundespräsidentenwahl sollte von allen Beteiligten als eine Chance für die Vitalisierung des politischen Lebens in Österreich begriffen werden.


Österreich ist zu wünschen, dass sich die Aufgeregtheit um die Bundespräsidentenwahl bald legt. Nachdenklichkeit ist angesagt. Dazu gehört auch, sich rasch von Stereotypen wie der Spaltung des Landes und der Fortsetzung von Konflikten zu verabschieden. Die Zweite Republik hat eine gute Basis gemeinsamer Erfahrungen und eine gewisse Gelassenheit beim Bürger, sodass wir uns auf die sicher tiefgreifenden Veränderungen der Wähler- und Parteienlandschaft wohl bald einstellen werden. Von der aktuellen Aufregung profitiert niemand, auch nicht die Aufreger selbst.

Das Scheitern der Regierungskandidaten war in Österreich einmalig. Der Hinweis, dass die personellen Arrangements der Vergangenheit keine Fortsetzung finden sollen, ist berechtigt. ORF und Rechnungshof werden ein erster Testfall sein, ob SPÖ und ÖVP die Lehre verstanden haben. Und sie sollten überlegen, gemeinsam mit willigen Parteien (Grüne, Neos) eine Wahlrechtsreform anzugehen - ohne taktische Spielchen und Vorteilsrechnungen. Eine Personalisierung im Sinne von Einerwahlkreisen, allenfalls mit der Möglichkeit einer besseren Mehrheitsbildung, muss dringend überlegt werden. Die zwei Wahlgänge zeigten, dass die Entscheidung um Personen die Wähler mobilisiert.

Norbert Hofers beeindruckende Ergebnisse im ländlichen Raum müssen ebenso untersucht werden wie die Entscheidungen im urbanen Bereich, besonders in Wien. Hoffentlich lernt die SPÖ, dass in den Flächenbezirken noch nicht alles verloren ist, wenn sie ihren früheren Wählern darlegen kann, dass es wirklich um etwas geht, nicht allein um die Erhaltung des Parteiapparates und der Einfärbigkeit der politischen Institutionen. Irmgard Griss hat aus dem Nichts fast ein Fünftel der Wähler erreicht - das zeugt von einer Beweglichkeit und Sehnsucht des Bürgers nach etwas anderem oder zumindest anderen Personen. Alle Vereinnahmungsstrategien, um diese Wähler wieder einzufangen, sind falsch, denn die zivile Gesellschaft ist in Bewegung. Programme und Vorschläge sind gefragt.

Es genügt nicht zu behaupten, dass es ein Richtungswahlkampf war - die Richtungen müssen stärker sichtbar und hinterfragt werden. Die FPÖ etwa wäre danach zu untersuchen, was sie sich wirklich vorstellt - nicht nur die Übernahme aller Ämter in der Republik. In Wahrheit wurden zu brennenden Problemen (Arbeitslosigkeit, Bildungsfragen) keine überzeugenden Gedanken geäußert - allerdings ist das auch nicht Gegenstand des Präsidentenamtes. Interessant wird sein, inwieweit die neue Unterrichtsministerin Sonja Hammerschmid in den Reihen der eigenen Partei, aber auch beim Beamtenapparat und bei den Bundesländern durchkommen wird.

Eine besondere Analyse ist das Verhalten der Medien wert, besonders des ORF. Die Einseitigkeit war mitunter bedrängend, die traditionelle Linkslastigkeit von Interviewern und Moderatoren unterstützt eigentlich das Gegenteil der Absicht. Streckenweise gab es imponierende Fehlleistungen. Das aber haben die Medien mit der Politik gemeinsam.

Die Bundespräsidentenwahl bedeutet eine Chance für die Vitalisierung des politischen Lebens in Österreich und sollte von allen Beteiligten auch so begriffen werden.