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Was Politiker von Muhammad Ali lernen können

Von Daniel Witzeling

Gastkommentare
Daniel Witzeling ist Psychologe und Sozialforscher. Er leitet das Humaninstitut Vienna (www.humaninstitut.at) und beschäftigt sich als Sozialforscher mit angewandter Psychologie auf verschiedenen gesellschaftlichen Tätigkeitsfeldern. Foto: privat

Muhammad Ali war zweifelsohne eine der erfolgreichsten und auch politisch prägendsten Sportlerpersönlichkeiten des vergangenen Jahrhunderts. Im Ring wie auch im Leben war er eine Ausnahmeerscheinung. Er setzte sich gegen den Vietnam-Krieg und für Bürgerrechtsbewegungen ein und zahlte dafür seinen Preis. Im ersten Fall verlor er sogar für einen längeren Zeitraum seine Boxlizenz und damit auch die besten Jahre als Boxer. Doch was können wir alle von einem Muhammad Ali lernen?

Der Jahrhundertboxer Ali war nicht gerade für seine leise und zurückhaltende Art bekannt. Er war aber nicht bloß ein reiner Sprücheklopfer und kreativer Reimer, bei dem es bei bloßen Ankündigungen blieb, sondern es sind auch große Taten in Form von drei Boxweltmeistertiteln im Schwergewicht gefolgt. Sein persönliches Engagement fernab des Sports für Menschenrechte, gegen Diskriminierung und in Zusammenhang mit der Krankheit Morbus Parkinson, die sein letzter großer Kampf im Leben war, ist da nicht minder erwähnenswert. Er war eindeutig ein Sportler und ein Mensch mit einer klaren Werthaltung, dem es auch wichtig war, für seine inneren Überzeugungen außerhalb des Rings einzustehen. Die Boxlegende selbst meinte dazu einmal, dass ein Mensch, der nicht mutig genug sei, Risiken einzugehen, niemals etwas im Leben erreichen werde.

"I have a dream" - Zivilcourage ist gefordert

Es stellt sich aber die Frage, warum es heutzutage an derartigen Persönlichkeiten eines Kalibers von Mohammad Ali mangelt. Hat die Gesellschaft ihren Hunger nach Veränderung verloren? Oder gibt es nichts mehr, wofür es sich im wahrsten Sinn des Wortes zu kämpfen lohnt? Nein, sicher nicht. Gerade die aktuellen schwierigen Zeiten in ganz Europa und auf der Welt, in denen ein Werteverfall einsetzt und mit Feindbildern politisches Kleingeld gemacht wird, verlangen nach Menschen und Persönlichkeiten mit höheren Idealen und Visionen. Wie sagte schon der Bürgerrechtsaktivist Martin Luther King: "I have a dream." Sich für die Benachteiligten und Unterdrückten einzusetzen, war dem Sportler wie auch dem Menschen Mohammad Ali bis zu seinem Ende ein Anliegen. Diese Zivilcourage, auch verbunden mit dem Risiko, Nachteile in Kauf zu nehmen, ist wieder von jedem Einzelnen, aber auch von der Politik gefragt.

Ali-Shuffle zum Aufbrechen festgefahrener Strukturen

Doch was unterscheidet beispielsweise einen Christian Kern von einem Mohammad Ali? Große Ankündigungen haben beide gemacht. Der eine hat im Ring und in Bürgerrechtsbewegungen bewiesen, dass er ein wahres menschliches Schwergewicht ist. Der andere wird es unter Beweis stellen müssen und seinen Mann im politischen Ring und bei den Menschen stehen müssen, will er nachhaltig erfolgreich sein und die Herzen der Menschen so wie der große Weltsportler gewinnen.

Hoffen wir für Österreich, dass Kanzler Kern auch leichtfüßig durch die politische Landschaft sensibel und feinfühlig für die Bedürfnisse der Menschen wie ein Schmetterling schweben wird und dort, wo es notwendig ist, auch gegen die Interessen mächtiger Gruppierungen und Strukturen bei längst überfälligen Reformen zusticht wie eine Biene.

Einsatz für Überzeugungen und Glauben ist niemals falsch

Welchen Nachlass hat Cassius Clay alias Muhammad Ali uns nun hinterlassen? Persönlichkeitstypen wie Muhammad Ali sind nicht immer angenehm, da sie aufgrund ihres Naturells nicht angepasst und gesellschaftskonform agieren. Sie sind aber für die Sozialhygiene und den sozialen Fortschritt einer Gesellschaft unabdingbar, da sie als wahre Katalysatoren dieser fungieren. Daher sind sie, so irritierend sie oft auf andere Menschen wirken mögen, für ein funktionierendes soziales System essenziell.

Sich für seine Überzeugungen und seinen Glauben einzusetzen, ist niemals falsch. Wer sich für seine Werte einsetzt, kann manchmal einen Preis dafür bezahlen, wird aber dafür erhobenen Hauptes durch das Leben gehen. Man darf frei nach Muhammad Ali nur niemals aufgeben. Es ist auch nicht schlimm, einmal zu Boden zu gehen, wichtig ist nur, dass man wieder aufsteht.

In diesem Sinne steckt in jedem von uns ein kleiner Mohammad Ali. Denn wie sagte dieser einmal treffend: "Um ein großer Champion zu sein, musst du dran glauben, der Beste zu sein. Wenn du es nicht bist, tue wenigstens so."

"Schweben wie ein Schmetterling, stechen wie eine Biene" - in jedem von uns steckt ein kleiner Muhammad Ali. Ein Aufruf zu mehr Zivilcourage und individuellem Engagement.